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Albrecht: "Nur raus aus dem Land"

Daniela Späth15. Mai 2014

Zwei Wochen lang wurde der Berliner Schriftsteller Jörg Albrecht in Abu Dhabi festgehalten. Zurück in Deutschland spricht er im DW-Interview über seine Erfahrungen.

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Autor Jörg Albrecht (copyright: imago/frederic)
Autor Albrecht ist froh, wieder in Deutschland zu seinBild: imago/frederic

Bei einem Spaziergang durch Abu Dhabi fotografierte Jörg Albrecht die Gebäude der Botschaften von Irak und Iran mit seinem iPad. Daraufhin wurde er von den dortigen Behörden für drei Tage verhaftet - danach erhielt er Ausreiseverbot. Mehr als 6000 Autoren und Künstler unterschrieben eine Petition an das Kulturministerium des Emirats, in der sie die sofortige Ausreise des Schriftstellers forderten. Albrecht war zuvor als Gast einer deutsch-schweizerischen Delegation zur Buchmesse nach Abu Dhabi eingeladen worden.

Deutsche Welle: Wie war Ihr erster Tag zurück in Berlin? Was haben Sie gemacht?

Jörg Albrecht: Ich bin am Flughafen angekommen und von zwei Freundinnen abgeholt worden, eine der beiden war auch die Initiatorin der Petition. Wir sind dann nach Kreuzberg gefahren, um zu frühstücken. Dann kam noch eine andere Freundin vorbei, die auch die Petition mit auf den Weg gebracht und alles koordiniert hat. Wir haben einfach einen schönen Vormittag zusammen verbracht. Dann bin ich nach Hause gegangen und habe mich hier wieder eingerichtet.

Die Angestellten des Hotels, in dem Sie vor Ihrer Haft untergebracht waren, sollen sich während Ihrer Zeit in Abu Dhabi für Sie eingesetzt haben. Wie sah diese Unterstützung aus?

In den ersten Tagen nach der Freilassung haben sich viele Autoren, die auch auf der Buchmesse waren, extrem zurückgehalten, weil ihnen wahrscheinlich nicht bewusst war, in welcher Lage ich steckte. Mir wurde gesagt, ich solle mich nicht so anstellen und die Stadt genießen. Das Mitgefühl kam eher von den Angestellten dieses Hotels. Von der Polizeiwache aus konnte ich nur das Hotel anrufen, weil ich keine andere Ortsnummer hatte. Die Nummer der deutschen Botschaft wurde mir nicht gegeben. Ich habe immer wieder ganz lange mit einer Frau von der Rezeption des Hotels gesprochen, die versucht hat, mir zu helfen. Es waren nur kleine Gesten, weil die Angestellten selbst sehr strikten Regeln unterliegen und gar keine persönlichen Beziehungen zu Gästen aufbauen dürfen. In meiner Situation habe ich mich den Angestellten näher gefühlt, da sie teilweise selbst unter dem System leiden, wenn auch in ganz anderer Weise.

Ihre Erfahrungen haben Sie als "kafkaesk" beschrieben. Auf welche Situationen spielen Sie konkret an?

Das "Kafkaeske" war einerseits das wahnsinnig gute Wetter, der Strand, die Leute, die Jetski fahren, und auf der anderen Seite eben die fehlenden Informationen. Ich ging nach meiner Freilassung jeden Tag zum Gericht, um an Informationen zu kommen, doch es war nicht klar, an wen ich mich wenden musste. Es wurden auch keine Telefonnummern herausgegeben. Es war wie in Franz Kafkas Roman "Das Schloss", wo jemand vor dem Schloss steht, aber nicht rein kommt. Bei mir war es umgekehrt: Ich war im Land drin, und mir wurde immer gesagt, dass ich es genießen und am Leben teilhaben solle. Doch alles, was ich wollte, war raus zu kommen und niemand konnte mir sagen, wie.

Auf Ihrem iPad, mit dem Sie auch die Bilder gemacht hatten, waren auch Textdateien. Sie schreiben unter anderem auch über Homo- und Transsexualität. Hatten Sie die Befürchtung, dass man Sie auch dafür belangen könnte?

Ich hatte extrem Angst, dass noch irgendetwas anderes passieren könnte. Ich bewege mich in Deutschland völlig frei im Internet und besuche auch Seiten, die in Abu Dhabi nicht nur anstößig, sondern auch verboten sind. Aber ich wusste von anderen Fällen, dass es teilweise reicht, wenn man sich in Deutschland ein Verhalten leistet, das dort gegen das Gesetz verstößt. Ganz skurril übrigens: Mir hat eben die deutsche Botschaft in Abu Dhabi eine Mail geschrieben. Darin stand, dass sich die dortige Geheimpolizei wegen meines iPads gemeldet hatte. Es gehe darum, dass sie die Fotos vom iPad löschen wollen und dazu mein Passwort brauchen. Da musste ich laut lachen, weil mir seit dem 4. Mai erzählt wird, dass man die Fotos auf dem iPad längst untersucht hätte. Das Passwort hatte ich den Behörden mal gegeben, aber es kam wohl nicht bei den richtigen Stellen an. Da werde ich tagelang im Ungewissen gelassen und es wird sich gar nicht darum bemüht, das iPad zu untersuchen. Und gleichzeitig ist es lustig, weil es zeigt, dass die Behörden da offenbar ziemlich chaotisch arbeiten.

Was macht die Erfahrung, die Sie dort gemacht haben, mit Ihnen im Alltag zurück in Deutschland?

Ich versuche, wieder eine gewisse Routine zu entwickeln. Ich habe gestern in der U-Bahn gemerkt, dass ich mich dort ständig umgeguckt habe und schon noch ein bisschen Angst hatte. Ich habe mir deshalb vorgenommen, mir professionelle Hilfe zu holen, um mit diesen Situationen klar zu kommen. Ich habe vorhin einen Freund getroffen, mit dem ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesprochen hatte und auch nicht mehr sprechen wollte. Er kam mir dann auf dem Fahrrad entgegen. Dann habe ich ihn einfach umarmt, weil es in dem Moment unwichtig war. Meine Erfahrung relativiert vieles.

Wie hat sich das Bild von Abu Dhabi seit Ihrer Erfahrung für Sie verändert?

Ich werde sicher nicht mehr dorthin reisen. Eventuell bekomme ich auch noch ein Einreiseverbot. Und jeder hätte in die gleiche Situation kommen können wie ich. Andere Kollegen von der Buchmesse hatten auch Fotos in der Gegend gemacht, nur hatten sie das Glück, nicht erwischt zu werden. Man kann relativ schnell ein Fehlverhalten an den Tag legen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Vielleicht sollte man auch die Fluggesellschaften verpflichten, eine Art Blatt herauszugeben, in dem steht, wofür man in dem Land belangt werden kann. Ich war selbst natürlich auch naiv. Ich hatte viel über den Bauboom gelesen und wollte die Gebäude fotografieren. Doch die Gebäude, die ich fotografiert habe, waren Gebäude mit politischer Bedeutung. Dass ich das nicht gesehen habe, war natürlich fatal. Doch Abu Dhabi kann nicht einfach Leute ins Land holen und alles westlich aussehen lassen. Denn sobald man einen kleinen Fehltritt macht, kann man die Willkür des Systems zu spüren bekommen.


Jörg Albrecht wohnt in Berlin. Bekannt wurde er mit seinem Roman "Drei Herzen". Die Fragen stellte Daniela Späth.