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Nawalny kämpft um seinen Ruf

Roman Goncharenko19. Mai 2016

In einem Dokumentarfilm wird behauptet, dass der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ein westlicher Geheimagent sei. Nawalny wirft dem staatlichen Fernsehsender nun Verleumdung vor und zieht vor Gericht.

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Alexej Nawalny bei einer Protestkundgebung in Moskau (Foto: picture-alliance/dpa/TASS/V. Sharifulin)
Bild: picture-alliance/dpa/TASS/V. Sharifulin

Für Alexej Nawalny ist das ein Novum. "Zum ersten Mal in meinem Leben verklage ich ein Medium wegen Verleumdung, doch es lohnt sich", schrieb der Oppositionspolitiker und Kreml-Kritiker in seinem Blog Mitte April. Da sich die Seiten am Donnerstag außergerichtlich nicht geeinigt hatten, legte das Sawelowskij Gericht in Moskau für den 8. Juni den Termin für die Hauptverhandlung fest.

Anlass für die Klage war ein knapp 30-minütiger Dokumentarfilm des staatlichen Fernsehsenders "Rossija-1", der am 13. April ausgestrahlt wurde. Nawalny verklagte den Sender, den einflussreichen Moderator und stellvertretenden Senderchef Dmitri Kisseljow und den Filmautor Jewgeni Popow. Es geht um eine komplizierte Geschichte, die teilweise viele Jahre zurück liegt.

Investmentbanker als angeblicher US-Spion

Im Mittelpunkt steht der US-Investmentbanker Bill Browder. Seine Firma Hermitage Capital Management galt seit Mitte der 1990er Jahre als eine der größten Investoren in Russland. Doch 2005 wurde gegen die Firma ermittelt, Browder wurde zu einem scharfen Kritiker des Präsidenten Wladimir Putin und der Korruption in Russland. Seitdem sorgt Browders Name für politische Spannungen zwischen Moskau und Washington. Vor allem beschuldigt Browder die russische Justiz, seinen Steueranwalt Sergei Magnizki 2009 im Gefängnis indirekt getötet zu haben. Sein Fall wurde international zu einem Symbol für Menschenrechtsverletzungen in Russland und führte zu US-Sanktionen. Moskau weist bis heute die Vorwürfe zurück. Browder wurde in Russland in Abwesenheit zu neun Jahren Haft wegen Steuerhinterziehung verurteilt.

Kosaken werfen Milch auf Oppositionellen Alexei Nawalny (Foto: picture-alliance/Anapa Today via AP/D. Slaboda)
Nicht bei allen beliebt - Kosaken bewerfen Alexej Nawalny mit MilchBild: picture-alliance/Anapa Today via AP/D. Slaboda

Nun behauptet der TV-Sender "Rossija-1", Browder sei ein westlicher Spion und arbeite seit Jahrzehnten an einer Geheimoperation. Browder soll den populären Blogger und Politiker Nawalny rekrutiert haben, um die "existierende Verfassungsordnung der Russischen Föderation zu unterminieren". Als Beweis dienen angebliche Dokumente des US-Auslandsgeheimdienstes CIA und seines britischen Pendants MI6. Nawalny wird im Film beschuldigt, im Auftrag von Browder für westliche Geheimdienste gearbeitet zu haben und dafür Hunderttausende Dollar kassiert zu haben.

Kein Zugang zu Wahlen

Der 39-jährige Nawalny ist einer der einflussreichsten Oppositionspolitiker der neuen Generation in Russland. Er studierte Jura und machte sich als Kämpfer gegen Korruption einen Namen. Seine "Stiftung für Kampf gegen Korruption" enthüllt regelmäßig Machenschaften russischer Eliten. Bei der Bürgermeisterwahl in Moskau 2013 wurde Nawalny zweiter und bekam 27 Prozent der Stimmen.

An den Parlamentswahlen im September darf Nawalny jedoch nicht teilnehmen, weil er wegen Wirtschaftsverbrechen verurteilt wurde. Nawalny kritisierte die Prozesse gegen ihn als politisch motiviert. Seine "Partei des Fortschritts" darf auch bei den Wahlen aus einem anderen Grund nicht antreten: Sie wurde von den russischen Behörden nicht registriert.

Gefälschte Beweise?

Die Vorwürfe im Film von "Rossija-1" wies Nawalny als "Müll" zurück. In seinem Blog machte er sich über die zahlreichen Ungereimtheiten darin lustig. Angebliche Akten westlicher Geheimdienste seien im holprigen Englisch geschrieben, so Nawalny.

An einer anderen Stelle wird ein CIA-Bericht mit "V.Plame" unterzeichnet. Valerie Plame war eine tatsächliche Mitarbeiterin des US-Geheimdienstes, bis ihre Tarnung enthüllt wurde und zu einem Skandal in der US-Regierung führte. Plame verließ die CIA 2005, ihr im russischen Fernsehen gezeigter angeblicher Bericht wird jedoch au 2009 datiert. In einem Interview für den russischen TV-Sender "Doschd" (Regen) sagte Plame, der Bericht sei eine Fälschung, sie habe nie von Browder und Nawlny gehört. Für Nawalny ist das nur einer von vielen Hinweisen dafür, dass der Film eine "schnelle zusammengezimmerte" Fälschung sei.

Klage ohne Aussicht

Beobachter halten es für unwahrscheinlich, dass das Gericht Nawalny recht gibt. Es gab in Russland kaum Präzedenzfälle, bei denen Oppositionelle Prozesse wegen Verleumdung gewonnen hätten. Erst vor einem halben Jahr hat ein Gericht in Nowosibirsk Nawalnys Verleumdungsklage gegen den dortigen Bürgermeister abgewiesen. Der Bürgermeister hat, ähnlich wie jetzt der Sender "Rossija 1", behauptet, die russische Opposition werde aus dem Ausland finanziert.

Kundgebung der Opposition mit Alexei Nawalny (Foto: DW/Balatow)
Die Opposition veranstaltet immer wieder Kundgebungen - mit Alexej NawalnyBild: DW/N. Batalow

Im Jahr 2011 klagten drei bekannte Oppositionspolitiker, darunter der 2015 in Moskau getötete Boris Nemzow, gegen Wladimir Putin. Der damalige Ministerpräsident sagte in einer Fernsehfragestunde, die Oppositionellen hätten in den 1990er Jahren Milliarden "gemopst". Doch das Sawelowski-Gericht, dasselbe, das jetzt die Klage von Nawalny verhandelt, lehnte die Verleumdungsklage ab.

Umgekehrt gab es dagegen viele Urteile gegen Oppositionelle. Nawalny selbst wurde mehrmals wegen Verleumdung zu Geldstrafen verurteilt.