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Alibi kommt auf Bestellung

Ingo Uhlenbruch20. Oktober 2003

Wer lieber auf dem Golfplatz steht statt in einer Konferenz zu sitzen, braucht eine gute Ausrede. Im Internet bieten clevere Unternehmer nun ein Alibi auf Bestellung an - und das nicht nur für Golfspieler.

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Ist der heimliche Liebesbrief erst entdeckt, hilft auch kein Alibi mehrBild: Bilderbox

Es scheint Situationen zu geben, da brauchen manche Menschen Ausreden und Notlügen. Alibis nennen das Unternehmen, die solche gegen Geld anbieten. Das billigste Alibi kostet bei einem der Anbieter 8,50 Euro und wird als SMS geliefert. In der Kurznachricht steht beispielsweise, dass der Kunde dringend zu einem Termin erscheinen soll. Zwar ist dieser Termin frei erfunden, dennoch erfüllt die SMS ihren Zweck, und der Angerufene kann sich aus dem Staub machen.

Bei einer anderen Auftragsvariante telefoniert der Alibi-Lieferant mit einer Zielperson und bittet darum, den Terminhinweis an einen Dritten - den eigentlichen Auftraggeber - weiterzuleiten. Die Dienstleister bleiben nach eigenen Angaben selbst dann souverän, wenn der Angerufene nachhakt: "Da muss man eben spontan Geschick zeigen", erklärt Stefan Eiben von Alibi-Strohmann.de.

Permanentes Alibi

Auf Wunsch werden sogar umfangreichere Ausreden konstruiert. Zur Königsklasse gehören maßgeschneiderte Angebote sowie das "permanente Alibi" für rund 1800 Euro, das ein Jahr lang genutzt werden kann. Dabei wird der Kunde mit allem ausgestattet, was für eine organisierte Täuschung wichtig ist.

Er erhält Visitenkarten, Prospekte und auch einen eigenen Internetauftritt, um als Handelsvertreter jederzeit an angeblich wichtigen Terminen teilnehmen zu können. Sollte bei dieser Firma angerufen werden, gibt es stets die gleiche Antwort: Herr XYZ ist im Außendienst und nicht zu erreichen.

Einige Dienstleister arbeiten mit Partnerfirmen zusammen, wodurch das Alibi zusätzlich abgesichert wird: "Nur der Firmeninhaber ist eingeweiht. Die Sekretärin am Telefon weiß hingegen nichts von der Geschichte. Für sie ist unser Kunde ein ganz normaler Handelsvertreter, weshalb Kontrollanrufe bei ihr sehr realistisch wirken", sagt Eiben.

Besonders interessant sind die käuflichen Alibis offensichtlich für Menschen, die Lust auf einen Seitensprung verspüren. Die Alibi-Firmen sollen dann sicherstellen, dass zum Beispiel keine Hotelrechnung ins Haus flattert und für Erklärungsnot sorgt. Das Unternehmen fungiert daher als Zwischenhändler.

"Keine Bedenken"

Es stellt sich die Frage, ob die Anbieter kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie Geld mit bestellten Lügen verdienen. Doch die Firmen zeigen sich selbstbewusst: "Lüge, Notlüge – da kann man lange diskutieren", sagt Jens Schlingensief, der mit Perfektes-Alibi.de im Internet vertreten ist. "Das ist ein moralischer Aspekt. Ich habe da aber keine Bedenken."

Oft gibt es allerdings auch einen schönen Grund, warum jemand ein Alibi braucht. Nicht immer wird mit dem Alibi die Vertrauensbasis gefährdet: "Wir hatten mal einen Kunden, der hat seine Partnerin mit einer großen Hochzeitsfeier überrascht. Für die Vorbereitungen brauchte er zwei Monate und viele Alibis. Das war eine anstrengende Zeit für uns, weil die Angebetete misstrauisch wurde und fleißig recherchiert hat", erinnert sich Eiben.