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Alle feiern Vatertag... nur die Väter nicht

21. Mai 2009

An Christi Himmelfahrt ist in Deutschland "Vatertag". Sozusagen aus Gleichberechtigung. Dann wandern Väter mit Bier und Bollerwagen durch die Gegend. Oder nicht?

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Eine Gruppe junger Männer zieht, mit reichlich Alkohol auf einem Bollerwagen versorgt, durch HannoverBild: picture-alliance/ dpa

Im Keller steht er. Der Bollerwagen. Das Holz dafür haben Patrick und ich selber geschnitten, gehobelt, lackiert und verschraubt. Aus einem alten Saab haben wir die Autobatterie für den Ghettoblaster geholt, der Meter um Meter einen Iron-Maiden-Klassiker nach dem anderen abspielte. Ein Jahr später kamen die Bierfass-Halterung und das Magenbitter-Reservoir dazu. Egal wo wir mit dem Wagen auftauchten - wir waren die Stars unter den Vatertäglern. Wir nannten ihn „Bolide“, diesen Traum aus Eiche und männlicher Handwerksliebe.

Ein BOLIDE fürs Leben

Dann lernte Patrick seine spätere Frau kennen und ich meine. Das war das Jahr in dem wir am Vatertag nicht mit „Bolide“ durch die Straßen torkelten, sondern liebestrunken auf Parkbänken rumknutschten. Davon wurde Patrick Papa. Dann heiratete er und „Bolide“ kam wieder zum Einsatz. Gefüllt mit Sekt und Orangensaft, statt Bier und Magenbitter, schleiften wir ihn vors Standesamt. Wieder erregte der Wagen Aufsehen. Diesmal bei einer Demonstration von Homosexuellen, die vor dem Standesamt für die Gleichstellung von Lebensgemeinschaften kämpften. Sekt macht kämpferisch! Wir gaben reichlich.

Kurz darauf heiratete ich und wurde auch Vater. Plötzlich waren Patrick und ich beide Väter! Showtime! Der nächste Vatertag sollte Legende werden. Er wurde auch unvergesslich. Nur leider nicht so, wie früher. Wir waren ja jetzt verheiratete Väter. Die Frauen und Kinder wollten mit auf die Tour. Statt Iron Maiden donnerte „Schnappi“ aus den Boxen, statt Bier und Magenbitter gab es stilles Wasser und Müsliriegel. Wieder zeigten die Menschen mit Fingern auf uns - diesmal nicht aus Bewunderung für „Bolide“, sondern aus Mitleid mit uns. Es war das letzte Mal, dass wir versucht haben traditionell Vatertag zu feiern.

Sehnsucht überm Jägerzaun

Jetzt treffen wir uns jedes Jahr im Mai in Patricks Garten zum Familiengrillen. Maximal ein, zwei Biere trinken wir. Neuerdings macht Bier ja dick. Jedes mal, wenn am Gartentor ein Bollerwagen vorbeisaust, werden wir sehnsüchtig und erinnern uns. An damals. Als wir noch Vatertägler und nicht Väter waren. Mit stillen, ernsten Blicken über den Jägerzaun mahnen wir stumm: wartet nur ab, all ihr Kinderlosen, die ihr so ausgelassen Vatertag feiert. Wartet auf den Tag, an dem ihr echte Väter seid. Dann heißt der Donnerstag 40 Tage nach Ostern für euch nicht mehr Vatertag, sondern Christi Himmelfahrt. Ohne „Bolide“, mit Bier das dick macht, ohne „Iron Maiden“ und mit Nudelsalat. Dem besten, den deine Frau je gegessen hat. Sagt sie.

Autor: Ulrich Anders

Redaktion: Marlis Schaum