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Alle Jahre wieder….

Alexander Kudascheff, Brüssel14. Dezember 2005

Es ist Gipfelzeit in Brüssel. Und das vor Weihnachten. Wieder einmal tobt die "Mutter aller EU- Schlachten". Es geht wieder einmal ums Geld. Genauer um den Haushalt der EU für die Jahre von 2007 bis 2013.

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Ein ausgeklügelter, ein feinsinnig ziselierter Vorschlag des Meisterdiplomaten Jean Claude Juncker, des luxemburgischen Ministerpräsidenten, Karlspreisträger 2006 und seit Ende der 1980er Jahre bei allen Etatauseinandersetzungen dabei, war im Juni gescheitert. In erster Linie an den Engländern, die nicht nur nicht von ihrem Rabatt ablassen wollten, sondern auch gleich eine Reform (manche meinen: eine Revolution) des Etats und seiner Strukturen forderten. Aber im Hintergrund waren auch die Niederländer, die Schweden, die Spanier nicht richtig zufrieden - wenn auch aus anderen Gründen. Die einen wollten weniger zahlen, die anderen mehr bekommen. Womit klar war: Wurde der einen Seite entgegengekommen, musste die andere Nein sagen. Trotzdem: Juncker hatte es verstanden, seinen Entwurf als den goldenen Schnitt eines Etats aussehen zu lassen. Er hatte allen, die Kröten schlucken mussten, doch ein paar Schokoladenstückchen hingelegt. So dass niemand ganz unzufrieden war - außer den Briten, die es aber genau betrachtet, nicht hätten sein müssen.

Großer Etat sinnvoll?

Nun kann man natürlich erst einmal die harten Zahlen betrachten: die Kommission wollte 1025 Milliarden Euro für die sieben Jahre, Juncker 871, die Briten nur noch 849 Milliarden ausgeben. Klare Sache: Bei den Briten bleibt Europa schlank. Ansonsten wirft es mit Geld um sich. Und man weiß nicht, ist das sinnvoll? Oh doch, rufen die Befürworter von mehr Geld für Brüssel. Nur ein großer Etat kann die Zukunftsfähigkeit der großen 25-er EU sichern und absichern. Doch stimmt das wirklich?

Das süße Gift der Subventionen

Die EU ist seit vielen Jahrzehnten ein gigantischer Umverteilungsapparat. Sie fördert natürlich die Bauern, aber auch die Tabakpflanzer, gibt aber gleichzeitig Geld aus für Gesundheitskampagnen gegen das Rauchen. Sie fördert die Industrie und die industriekritischen NGOs gleichermaßen, getreu dem Motto: "wir verderben es uns mit keinem". Es werden Journalisten informiert, Gleichstellungslehrgänge für Männer und Frauen organisiert, Straßentheater gefördert, Jugendclubs unterstützt. Ob Struktur-Regional-oder Kohäsionsfonds - das süße Gift der Eurosubventionen ist in allen 25 EU-Ländern weit verbreitet. Und es wird immer weiter gezahlt - egal wie die wirtschaftliche Entwicklung ist. Irland, nur ein Beispiel: Das einstige Armenhaus ist heute längst eine prosperierende und nicht mehr nur grüne Insel. Doch das Geld fließt weiter - als habe sich nichts geändert. Und so werden Straßen gebaut, Brücken errichtet, Weizen oder Zucker subventioniert, die Einlagerung wie der Export oder auch die Vernichtung von Gemüse unterstützt, die die armen Drittweltbauern ruinieren - aber - ein gutes Gewissen soll schließlich sein - auch die Aktivisten für bessere Lebensbedingungen in Afrika mit Geldern bedacht. Wie gesagt: eine Rundumversorgung.

Scheitert der Gipfel?

Wer das alles aufrechterhalten will, muss noch mehr Geld nach Brüssel schicken. Genau das wollte - so schien es - Tony Blair verhindern. Er wollte den Etat durchforsten. Er wollte ihn auf das Wichtige konzentrieren. Er wollte ihn zukunftsfähig machen. Und dafür gab es durchaus Beifall - wenn auch nicht nur. Nun aber haben die Briten einen inzwischen leicht renovierten Vorschlag vorgelegt, der eigentlich für alle inakzeptabel ist. Der Agrarhaushalt bleibt unangetastet. Für Wissenschaft, Bildung, Technologie, Innovation wird nicht mehr ausgegeben. Sondern weniger. Und die neuen Mitgliedsländer erhalten weniger Strukturhilfen als vorgesehen. Freuen können sich nur die europäischen Bürger. Sie sollen insgesamt weniger nach Brüssel überweisen. Und freuen können sich die britischen taxpayers: sie werden weiterhin entlastet. der Rabatt bleibt im Großen und Ganzen bestehen. Also: der Gipfel scheitert? Wahrscheinlich. Doch merkwürdigerweise hört man aus der Kulisse es gibt doch eine Chance. Da scheint der alte Satz vom Dichter Achternbusch für die EU zu gelten: Es gibt keine Chance, nutze sie.