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Wahlausgang offen

Thomas Mösch20. April 2007

Vor den Wahlen in Nigeria bietet sich ein verwirrendes Bild. Selbst das Oberste Gericht mischte sich ein, und die Opposition schwankt zwischen Boykott und Wahlaufrufen. Der Wahlausgang scheint völlig offen.

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Wahlplakat in Nigeria
Wie anderswo auf der Welt sollen Plakate für Aufmerksamkeit sorgenBild: AP
Olusegun Obasanjo
Olusegun Obasanjo tritt nicht an, unterstützt aber "seinen" KandidatenBild: dpa

Über Inhalte streiten sich die Parteien in Nigeria den anstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am Samstag (21.4.) kaum. Alle versprechen den Wählern mehr oder weniger dasselbe: Eine zuverlässige Stromversorgung, sauberes Trinkwasser, kostenlosen Schulbesuch und mehr Arbeitsplätze. Hoffnung auf einen Sieg machen sich vor allem drei Parteien: Die regierende Demokratische Partei des Volkes (PDP) vom jetzigen Präsidenten Olusegun Obasanjo, die Umaru Yar’adua ins Rennen schickt; die All Nigeria People’s Party (ANPP) mit ihrem Spitzenkandidaten Muhammadu Buhari und der Action Congress (AC) mit dem bisherigen Vize-Präsidenten Atiku Abubakar. Alle drei sind Muslime aus dem Norden Nigerias. Daneben haben weitere 21 Parteien Präsidentschaftskandidaten aufgestellt.

Grundsätzliche ideologische Unterschiede gibt es zwischen den großen Parteien nicht. Umso wichtiger sind die Stärken und Schwächen der Spitzenkandidaten, betont der Politikwissenschaftler Bawa Hassan Gusau von der Universität in der nordnigerianischen Metropole Kano. "Der Kandidat der ANPP, Buhari, hat das Image, ein rigider, an Gesetz und Sicherheit orientierter Mann zu sein, ein ernsthafter Führer. Die anderen beiden dagegen gelten mehr oder weniger als Anhängsel der Regierungspartei. Der ANPP-Kandidat dagegen erscheint als einer, der das Ruder herumreißen könnte."

Die harte Hand des Despoten

Muhammadu Buhari zehrt dabei vor allem von seiner Regierungszeit als Militärherrscher in den 1980er Jahren. Er führte das Land mit harter Hand und galt deswegen vor allem im Ausland als Despot. Heute allerdings scheinen sich viele Nigerianer angesichts von Korruption und Gewalt wieder nach einer harten Hand zu sehnen.

Ein nigerianischer Obdachloser vor Wahlwerbung
Ein nigerianischer Obdachloser vor WahlwerbungBild: AP

Umaru Yar’Adua von der regierenden PDP erscheint dagegen eher blass. Der bisherige Gouverneur des Bundesstaates Katsina gilt zwar als integer und weitgehend immun gegen Korruption. Doch viele Nigerianer sehen in ihm nur eine Marionette des scheidenden Präsidenten Obasanjo. Yar’Adua muss deshalb erklären, warum er mehr Erfolg haben sollte als sein Mentor. Nach acht Jahren Obasanjo gibt es zwar Erfolge im Kampf gegen die Korruption und auch Fortschritte im Bildungswesen. Die Versorgung mit Strom, Wasser und Benzin hat sich aber nicht gebessert.

Diese für die Masse der Nigerianer eher magere Bilanz macht auch Atiku Abubakar zu schaffen. Der Vize-Präsident zerstritt sich erst im vergangenen Jahr mit Präsident Obasanjo, weil er dessen Pläne für eine dritte Amtszeit nicht unterstützen wollte. Bis dahin war Abubakar ein wichtiger Stützpfeiler der Obasanjo-Regierung. Nach Abubakars Wechsel zur Opposition setzte der Präsident alle Hebel in Bewegung, um eine Kandidatur seines Vize zu verhindern. Diese Versuche endeten erst am vergangenen Montag mit einem Urteil des Obersten Gerichtshofes, das Abubakar die Kandidatur erlaubte.

Lob für die Gerichte

Hinter den Gerichtsverfahren um die Zulassung von Kandidaten verschwanden auch die letzten Reste einer inhaltlichen Debatte im Wahlkampf. Das bedauert auch Olisa Agbakoba, Vorsitzender der Rechtsanwaltskammer Nigerias und einer der führenden Menschenrechtler des Landes. Doch er lobt die Gerichte. "Es waren die Gerichte, die dem ganzen Unsinn etwas Sinn gegeben haben. Sie ordnen das Chaos, das die Gier der Politiker hinterlassen hat. Sie versuchen zu sagen, was geht und was nicht geht." Den Gerichten gebühre deshalb Anerkennung dafür, dass sie in der Hitze des Gefechts für Abkühlung gesorgt haben.

Die Wahlvorbereitungen machten allerdings einen verheerenden Eindruck: Wählerverzeichnisse wurden nicht veröffentlicht, Kandidaten wurden noch disqualifiziert, als sie schon auf dem Wahlzettel standen. Und wieder waren Wahlkampf und Wahltag vielerorts von Gewalt geprägt. Politiker sind bereit, alle denkbaren Mittel einzusetzen, um zu gewinnen. Der Politikwissenschaftler Kamilu Sani Fage aus Kano erklärt das mit dem ganz besonderen Stellenwert, den Politik in Nigeria hat. "Politik wird als Geschäft gesehen." Ein Gouverneur habe einmal gesagt, es gebe in Nigeria kein einträglicheres Geschäft als Politik. Die Leute gingen also in die Politik, um Geld zu machen, nicht um zu dienen. "An die Macht zu kommen, bedeutet, alle erdenklichen Privilegien zu haben.“

Geschichte schreiben

Eine wirklich freie und faire Wahl scheint unter diesen Umständen kaum möglich. Rechtsanwalt Olisa Agbakoba erwartet deshalb auch nur wenig von der Wahl. "Wenn wir bei all den Problemen am Ende sagen können, es war im Großen und Ganzen frei und fair und wir haben dann einen neuen Präsidenten, von welcher Partei auch immer - dann ist das der minimale Erfolg, auf den wir hoffen.“

Nigeria hätte dann etwas geschafft, was es seit der Unabhängigkeit vor 47 Jahren noch nie gegeben hat: Ein gewählter Präsident übergibt am 29. Mai die Macht an einen anderen gewählten Präsidenten.