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Gebündelte Kompetenz

5. Mai 2009

Ein eigener Stadtteil für Forschung, Wissen, Know-how und Multimedia - im dänischen Ørestad wurde diese Vision Wirklichkeit. Fünf Minuten vom Kopenhagener Stadtzentrum wurde das neue Viertel nach Plan gebaut.

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Die neue Rundfunk-Konzerthalle im Stadtteil Ørestad in Kopenhagen (Foto: dpa)
Die neue Rundfunk-Konzerthalle im Stadtteil Ørestad in Kopenhagen - rund 230 Millionen Euro schwerBild: picture-alliance/ dpa

Noch in den 1990er Jahren waren weite Teile des Kopenhagener Südens brachliegendes Land. Das Militär hatte hier einen Schießstand, es gab viel grüne Fläche. Mit der Brücke über den Öresund aber, die Schweden und Dänemark, Malmö und Kopenhagen miteinander verbindet, entstand die Vision der Öresundregion - und im Kopenhagener Süden ein ganz neuer Stadtteil: die Ørestad. In dessen Zentrum befindet sich das Herzstück des Stadtteils: die IT-Universität.

Vom Gartenstuhlkreis zur etablierten IT-Uni

Rathausplatz in Kopenhagen(Foto. Bilderbox)
Kopenhagen ist nicht nur für seine touristischen Sehenswürdigkeiten bekanntBild: Bilderbox

Das Atrium der IT-Universität ist lichtdurchflutet. An beiden Enden befinden sich transparente Fassaden aus Glas. Auf der einen Seite ist der Hauptsitz des Dänischen Rundfunks, auf der anderen Seite die Kopenhagener Universität zu sehen. In Nischen sitzen kleine Gruppen von Studenten vor ihren Laptops. Vor der Kantine vertreiben sich zwei Jungen die Zeit mit Tischtennis.

Im zweiten Stock hat der Gründungsrektor Mads Tofte sein Büro in einem gläsernen Konferenzraum. Vor zehn Jahren gründete der 50-Jährige die Universität mit vier Gartenstühlen im Kopenhagener Nordwesten. Heute deutet er stolz auf die modernen Räumlichkeiten, in denen 1500 Studenten ihren Alltag verbringen. Sie alle will Tofte auf eine Zukunft vorbereiten, die er mit den Worten "global" und "interaktiv" beschreibt. Künftig, so der Unirektor, würden alle Branchen so strukturiert, dass die kompetentesten Experten weltweit kooperierten - verbunden durch moderne Kommunikationsmittel. "Doch diese globale Interaktivität ist auch ein schwieriger Prozess", meint er. Man sei räumlich voneinander getrennt, es gebe keinen direkten Kontakt zwischen Menschen beispielsweise kurz auf dem Flur, man arbeite in verschiedenen Zeitzonen und nicht zuletzt seien die kulturellen Unterschiede enorm. "Deswegen braucht man auch in Zukunft lokale Zentren, die wiederum mit anderen Zentren weltweit verknüpft sind. Ohne lokale Zentren kommt man nicht aus", meint Tofte.

Lokale Zentren in einer globalen Welt

Besucher in einem Internet-Café (Foto: dpa)
Die digitale Vernetzung nimmt zuBild: picture-alliance/dpa

Ein solches lokales Zentrum ist die Kopenhagener Ørestad mit der IT-Universität im Zentrum. Hier sitzen Forscher und User, Nachwuchs und Unternehmen direkt nebeneinander. Im fünften Stock der IT-Universität haben 50 Start-up-Unternehmen ihr Zuhause: Software- und Systementwickler, Spiele- und Webdesigner.

Drei Etagen über dem Unirektor sitzt auch der Koordinator zwischen der IT-Universität und den hier ansässigen Firmen, David Stray Jørgensen. Es gebe eine große Interaktion zwischen der IT-Universität und den Firmen im fünften Stock, erzählt er. "Die Studenten kommen hoch, machen Praktika, schreiben Arbeiten über Firmen und werden so vielleicht inspiriert, selbst eine Firma zu gründen." Die Firmen wiederum verfügten so ständig über kompetenten Nachwuchs. "Und natürlich hoffen wir alle, dass es irgendwann zwei, drei Studenten geben wird, die das neue Windows erfinden", so Jørgensen.

Er ist überzeugt, dass alle Beteiligten von einer solchen Konzentration, von einem solchen IT-Cluster, profitieren. Als Teil eines solchen Milieus wären die Erfolgschancen sehr viel größer, als wenn man alleine und isoliert in seinem Keller sitze. "Wer bestimmtes Wissen braucht, kann es hier jederzeit finden. In Sachen IT gibt es hier nichts, was man nicht findet", meint er, "Jedes Problem findet hier eine Lösung."

Kreativer Austausch prinzipiell möglich

So sieht es auch Sjouke Busck, die ihr Büro nur ein paar Türen von Jørgensen entfernt hat. Sie ist Grafikdesignerin in einem der hier ansässigen Unternehmen. Sie und ihre sieben Kollegen würden sich an einem anderen Ort sicher langweilen, meint sie. "Hier hingegen schlägt ständig ein gewisser Puls. Wir haben Konferenzräume, die wir uns mit anderen teilen, und es entstehen immer wieder Kooperationen über den Flur hinweg." Die Anbindung an die IT-Universität bedeute außerdem, dass man sich in einem Umfeld befindet, in dem man ständig dazulerne und inspiriert werde.

Wenige Meter weiter, in einer Firma, die sich mit der Sicherheit von Chipkarten befasst, sieht man das etwas bodenständiger. Theoretisch sei es richtig, dass man in einem solchen Cluster voneinander profitiere, sagt der IT-Entwickler Klaus Irner. Die Praxis aber sehe anders aus: Kleine Start-up-Firmen hätten nur ihre eigenen Projekte im Kopf, die sie an den Mann bringen wollten. Die Zeit und die Ressourcen für intensives Networking aber hätten sie nicht.

Dennoch haben sich der IT-Entwickler Irner und seine Kollegen bewusst für den Standort Ørestad entschieden. Denn dieser habe einen guten Ruf. Für jede IT-Firma sei das ein gutes Branding - in Dänemark, aber auch über die Grenzen des Landes hinaus, so Irner. "Wenn wir uns irgendwo vorstellen, dann betonen wir, dass wir Teil der IT-Universität und eines kreativen Milieus sind, in dem man sich austauscht", erzählt er. "Wenn die Kunden dann aber nachfragen, wie wir uns genau austauschen, dann müssen wir das ein wenig schönmalen. Wir betonen dann immer, dass das Potenzial enorm ist, auch wenn im Alltag die Zeit fehlt, das komplett auszuschöpfen."

Autor: Marc-Christoph Wagner
Redaktion: Julia Kuckelkorn