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Alles vor den Fenstern der Kanzlerin

Nina Werkhäuser21. April 2006

Berlin ist der beste Beweis dafür, dass Politik und Fußball zusammengehören, hat Nina Werkhäuser beobachtet.

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Zwischen dem Reichstagsgebäude und dem Kanzleramt wird zur Zeit ein Stadion gebaut, ein richtiges kleines Fußballstadion. Dort finden 9000 Fans Platz für die Übertragung aller WM-Spiele. Es wird also nicht wirklich gekickt, sondern nur geguckt. Folglich kann auch kein Ball durchs Bürofenster eines Parlamentariers segeln, was für ein Glück!

Dass gleichzeitig auf der einen Seite der Bundestag debattiert sofern die Abgeordneten bis zum Plenarsaal durchkommen) und auf der anderen Seite die Kanzlerin Staatsgäste empfängt (sofern die Limousinen nicht aufgehalten werden), das wird die Fans nicht weiter stören. Es wird höchstens die Kanzlerin stören, wenn 9000 Fans gleichzeitig brüllen. Aber dann kann sie gegebenenfalls auf ihren Balkon hinaustreten und winken, so wie die Queen vom Balkon des Buckingham-Palastes winkt. Angie soll ja was übrig haben für Fußball. Die WM bringt also die Massen und die Politik endlich wieder in authentischer Atmosphäre zusammen, was begrüßenswert ist.

Aber damit ist noch nicht alles gesagt zum fußballbedingten Umbau des Regierungsviertels: Nicht nur ein kleines Stadion wächst vor dem Reichstag aus dem Boden, sondern auch ein zweites Exemplar der berühmten Reichstagskuppel, ebenerdig und begehbar. Im Inneren will der Bundestag über seine Arbeit informieren. Zwei Kuppeln, eine oben, eine unten, dazu noch der Fußballpark, das ist nicht jedermanns Geschmack. Die Berliner Grünen-Politikerin Franziska Eichstädt-Bohlig findet das albern, infantil und würdelos. Es erinnert sie an Disneyland. Da ist sie nicht die einzige. Hat Berlin nicht ohnehin genug zu bieten zwischen Olympiastadion und Regierungsviertel?

Aber nun grüßt täglich der entstehende Rummelplatz: Der Fußball wird die Politik an ihren ureigensten Machtzentren heimsuchen. Mit einer stark verlängerten politischen Sommerpause ist zu rechnen. Für uns Korrespondenten ist das nicht das schlechteste - dann können wir wenigstens auch in Ruhe Fußball gucken.