1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikSerbien

Alles wie gehabt - Serben stimmen für Vucics Partei SNS

18. Dezember 2023

Bei den serbischen Parlamentswahlen hat die Partei von Staatspräsident Aleksandar Vucic erneut die meisten Stimmen erhalten. Das Oppositionsbündnis aus 15 Parteien schaffte lediglich einen Achtungserfolg.

https://p.dw.com/p/4aHwE
Eine Frau mit senffarbener Jacke und lila Mütze und einem Kind in einem Tuch an der Brust wirft ihren Stimmzettel in eine transparente Urne.
Eine Frau wirft in Belgrad am vergangenen Sonntag, 17.12.2023, ihren Stimmzettel einBild: Zorana Jevtic/REUTERS

Was jetzt komme, sei das Altbekannte, kommentiert Filip Svarm, Chefredakteur des angesehenen Nachrichtenmagazins Vreme, frustriert das vorläufige Ergebnis der serbischen Parlamentswahlen gegenüber der DW. Eine neue Runde der "ungebremsten Macht der SNS" stehe bevor. Hinter dem Kürzel verbirgt sich die Fortschrittspartei von Aleksandar Vucic, Srpska Napredna Stranka. Und die hat am Sonntag (17.12.2023) bei den serbischen Parlamentswahlen erneut kräftig abgeräumt.

Vucics Partei kommt auf einen Stimmenanteil von 45 Prozent - die absolute Mehrheit für die nächsten Jahre. Schon zuvor konnte die Partei des 53-Jährigen das Land quasi im Alleingang regieren.

Beste Nebenrolle: Die Opposition

Bei so viel Dominanz von Vucic blieb dem pro-europäischen Oppositionsbündnis "Serbien gegen Gewalt", bestehend aus 15 Parteien vom linken, grünen bis hin zum Mitte-Rechts-Spektrum, nur ein Achtungserfolg. Die proeuropäische Opposition habe mit rund 23 Prozent gar nicht so schlecht abgeschnitten, so der Politologe Dusan Milenkovic im Gespräch mit der DW. Bürgerlich-demokratische Parteien hätten es in Serbien immer schon schwer gehabt. Vor diesem Hintergrund sei das Ergebnis eines der besten in der Geschichte des Mehrparteiensystems.

Ein Mann in Anzug und mit roter Krawatte steht an einem Rednerpult, im Hintergrund stehen andere Menschen mit neutralen Gesichtsausdrücken
Miroslav Aleksic von der Bewegung "Serbien gegen Gewalt" hält nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse eine Rede in BelgradBild: Marko Djurica/REUTERS

Das Bündnis war in Folge der massiven Regierungsproteste entstanden, die nach zwei Amokläufen im Frühling dieses Jahres aufgeflammt waren. Die Proteste und die immer heftigeren Eskalationen in der Beziehung zu Kosovo hatten Vucic dazu veranlasst, die Wahlen um zwei Jahre vorzuziehen.   

Vorwurf der Wahlmanipulation

Wie erwartet meldeten Wahlbeobachter und Nicht-Regierungsorganisationen eine Reihe von mutmaßlichen Manipulationsversuchen. So sollen rund 40.000 Wähler von außerhalb nach Belgrad und in andere Gemeinden transportiert worden sein, um mit gefälschten Pässen für die SNS abzustimmen. Die meisten unter ihnen sollen in organisierten Bus-Konvois aus der Republika Srpska eingereist sein. Die Republika Srpska ist eine vor allem von ethnischen Serben besiedelte Teilrepublik des Nachbarlandes Bosnien-Herzegowina. Hier wohnhafte ethnische Serben sind Bosnier - und dürfen deshalb bei den Wahlen in Serbien natürlich nicht ihre Stimme abgeben. Die Opposition hat bereits Beschwerde eingereicht und ruft nun für Montagabend (18.12.2023) zu Protesten auf.

Das "System Vucic"

Der Erfolg der SNS dürfte fast ausschließlich mit Vucic selbst zu tun haben. Der fast zwei Meter große Hüne, der Serbien als Präsident wie ein Autokrat führt, stand selbst gar nicht zur Wahl. Dennoch gab er allein den Ton im Wahlkampf an. Seine "Liste Aleksandar Vucic - Serbien darf nicht stehenbleiben" suggerierte den Wählern eine Präsidentschaftswahl. Kein Wunder also, dass Umfragen der nicht-staatlichen Organisation CRTA zufolge jeder vierte Bürger in Serbien glaubte, Vucic selbst stünde zur Wahl. Etwa 60 Prozent glaubten sogar, Vucic sei der Spitzenkandidat für seine Partei.

Mehrere Personen in dunklen Jacken stehen in einer Reihe, zwischen ihnen Aleksandar Vucic
Aleksandar Vucic steht am 17.12.2023 in Belgrad vor dem Wahllokal an, um seine Stimme abzugebenBild: Marko Djurica/REUTERS

Warum Vucics SNS das Land politisch so unangefochten dominiert, ergibt sich aus einer Kombination von Besonderheiten. Das "System Vucic" fällt schon dadurch auf, dass, gemessen an der Bevölkerungszahl von rund 6,8 Millionen, fast zehn Prozent der Erwachsenen Mitglieder der SNS sind. Gerne belohnt Vucic Parteimitgliedschaft und Wahlstimme mit Gegenleistungen - Arbeitsplätze und Bares gehören dazu.  

Innenpolitisch bedient Vucic Teile seiner Wählerschaft regelmäßig mit nationalistischen Tönen zur Kosovofrage, und liefert damit rhetorisch das, was serbische Nationalisten hören wollen: "Kosovo muss serbisch bleiben" - ein potenzieller Brandherd, der die EU seit langem besorgt.

Serbien zwischen Russland und der EU

Der Fortschrittsbericht für den EU-Beitrittsprozess Serbiens fällt schlecht aus. Der starke Mann aus Belgrad gibt sich gerne antiwestlich und bedient dabei pro-russische Vorlieben, die in weiten Teilen der Bevölkerung gut ankommen. Dennoch gilt Vucic, der schon unter Slobodan Milosevic als Minister diente, als Stabilitätsgarant und wird deshalb mit Samthandschuhen angefasst.

Eine Frau mit schwarzer Jacke wirft einen Stimmzettel in eine transparente Box mit einer Serbien-Fahne an der Vorderseite
Eine Kosovo-Serbin gibt in Vranje, Südserbien, ihre Stimme ab. Ethnisch serbische Bewohnerinnen und Bewohner Kosovos dürfen bei den Parlamentswahlen in Serbien ebenfalls an die Urne gehen.Bild: Jelena Djukic Pejic/DW

Dass Vucic die historische serbisch-russische Freundschaft pflegt, ist der EU zwar immer wieder ein Dorn im Auge - was sie jedoch nicht daran hindert, dem Land immer wieder großzügig unter die Arme zu greifen. Ein riskantes Spiel.

Genau davor warnt ausgerechnet ein serbischer ehemaliger Minister. Am Wahltag zitierte Deutschlands größte Boulevardzeitung BILD den Ex-Minister Rade Basta, früher zuständig für das Wirtschaftsressort. Putin greife nach dem Balkan, um die EU zu destabilisieren, so Basta. Bei jeder Verhandlungsrunde Brüssels mit Vucic sitze Putin mit am Tisch. Sein Rat an Brüssel und Berlin: Die Balkanländer so schnell wie möglich in die EU aufnehmen, um Moskaus Einfluss in der Region zu stoppen.