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Alltag im kirgisischen Flüchtlingslager

25. Mai 2005

Nach den blutigen Unruhen in Usbekistan sind hunderte Menschen über die Grenze ins Nachbarland Kirgisien geflüchtet. Dort wurde mit internationaler Hilfe ein Zeltlager aufgebaut. Ein DW-Reporter war vor Ort.

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Mehrere hundert Usbeken suchen Zuflucht im Nachbarland KirgisistanBild: AP

Das Flüchtlingslager im Bezirk Susak des Gebietes Djalalabad besteht aus nicht viel mehr als zehn großen Zelten. Das Camp wurde mit internationaler Hilfe errichtet: Die UNO lieferte Decken, Küchenutensilien und Kleidung. Es gibt genügend Lebensmittel und die Flüchtlinge sind mit Trinkwasser versorgt. Doch das Lager platzt aus allen Nähten.

Mehr als 500 Menschen leben derzeit im Lager. Nach Angaben von Almaz Burkutow, Sprecher des UNO-Flüchtlingskomissariats, bilden Frauen und Kinder nur einen geringen Anteil: Die meisten sind Männer mittleren Alters, die in Andischan, einige Kilometer hinter der kirgisisch-usbekischen Grenze, gegen Korruption und das autoritäre Regime von Islam Karimow demonstrierten. Einer von ihnen ist Dodoschon. Er möchte seinen Nachnamen nicht nennen. Mit dem Leben im Flüchtlingslager hat er sich zunächst abgefunden: "Ich werde nicht behaupten, dass wir hier in idealen Umständen leben, dass wir alles haben, was wir brauchen. Aber das ist jetzt nicht die Hauptsache. Das Wichtigste ist, dass die Regierung, dass Karimow und seine Anhänger, sich für das verantworten müssen, was sie dem Volk angetan haben. Das beschäftigt uns momentan am meisten."

Akuter Platzmangel

Sie haben sich vorerst arrangiert mit dem Leben im Lager. Zum Frühstück essen sie Brot, Tee und Kekse, zum Mittag Plow, ein usbekisches Reisgericht, das Soldaten und kirgisische Dorfbewohner für sie kochen. Mit dem Wasser aus einem nahegelegenen Bach putzen sie sich die Zähne, waschen sich und ihre Kleider.

Ungeachtet dieser Umstände sind die Vertreter des Internationale Komitees vom Roten Kreuz insgesamt recht optimistisch. Ihrer Einschätzung nach ist die Lage im Lager stabil, ansteckende Krankheiten hätten sich bisher nicht ausgebreitet. Das sagte auch die Sprecherin des kirgisischen Gesundheitsministeriums, Jelena Bajalinowa, bereits vor einigen Tagen gegenüber der Deutschen Welle: "Es gibt einzelne Fälle von Darmkrankheiten. Aber das sind noch nicht einmal zwanzig Leute, deshalb sprechen wir im Gesundheitsministerium nicht von einer Epidemie. Aber was die Zelte angeht, so sind sie nach unseren Informationen wirklich überfüllt."

Zurück nach Usbekistan?

Tatsächlich herrscht akuter Platzmangel. 50 Menschen und mehr müssen in einem Zelt schlafen. Deshalb sollen bald im Lager zusätzliche Hilfsunterkünfte aufgestellt werden. Vertreter des UNO-Flüchtlingskommissariats wollen durchsetzen, dass die kirgisischen Behörden die Erlaubnis erteilen, ein neues Lager zu bauen, das weiter entfernt von der Grenze liegt. Doch die Kirgisen haben damit offenbar keine Eile. Die Flüchtlinge befürchten, die kirgisische Regierung könnte dem Druck der usbekischen Führung nachgeben und die Flüchtlinge zurückzuschicken.

Wunsch nach Gerechtigkeit

Einige Männer im Lager geben sich auch kämpferisch und wollen die Regierung von Präsident Karimow zur Verantwortung ziehen. Ein Mann betont: "Wir möchten zurückkehren. Unsere Lage ist uns peinlich vor unserem Volk. So viele Menschen sind gestorben. Für sie, für diejenigen, die gestorben sind, die Angehörige und Freunde verloren haben, müssen wir es tun. Das ist unser Protest gegen das, was Karimow getan hat. Es ist schon nicht mehr wichtig, wie wir es tun, aber wir tun es. Sollen sie uns doch erschießen, wir gehen trotzdem hin."

Ein anderer Flüchtling stimmt zu: ""Wir glauben daran, dass wir bis Taschkent gehen werden. Jetzt hat das Volk gesehen, was Karimow angerichtet hat. Die ganze Welt weiß, dass er befohlen hat, zu schießen, ohne Vorwarnung. Und deshalb hoffen wir, dass das ganze Volk uns unterstützt."

Die Männer wissen, dass sie vermutlich sofort verhaftet werden, sobald sie nach Usbekistan zurückkehren. Doch, so betont es der 25-jährige Bilol, für sie gibt es nur noch eine Wahl: entweder Tod oder Leben und Freiheit.

Michail Buschujew, zurzeit Kirgisistan
DW-RADIO/Russisch, 25.5.2005, Fokus Ost-Südost