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Alte Europäer und alte Zweifel

6. Februar 2003

Das internationale Echo auf die Powell-Präsentation im Weltsicherheitsrat fiel recht unterschiedlich aus - nicht nur in der Politik. Von Skepsis bis Zustimmung reicht das Spektrum der Zeitungskommentare.

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"Es gibt immer noch keinen letzten Beweis", schreibt The Times in London. Aber klar sei, dass die Welt sich im Irak nicht mit einer abgeschwächten Bedrohung aus der Vergangenheit konfrontiert sehe, sondern mit einem gefährlichen Wiederholungstäter, der gestoppt werden müsse - auch wenn das am Ende Krieg bedeute.

Die Presse

in Wien ist der Meinung, dass die viel kritisierte Rolle der USA als Weltpolizist zu begrüßen sei: "Man stelle sich eine Welt vor, in der ein Saddam Hussein als Sieger aus dieser Konfrontation hervorgeht. Da ist noch immer jede texanische Sheriff-Mentalität besser."

Abwarten und Entschlossenheit

Die Moskauer Tageszeitung Kommersant sieht auch nach dem Powell-Auftritt keine Rechtfertigung für einen Militärschlag gegen den Irak. "Zur Zeit sieht es danach aus, dass die Vereinigten Staaten das internationale Recht laufend umschreiben, um aus dem Irak einen Verbrecher zu machen."

Zweifel beim Figaro in Paris: "Also, hat er uns überzeugt? Was wissen wir Neues? Nicht sehr viel. Sind wir überhaupt in der Lage, das zu beurteilen?"

De Standaard

in Brüssel traut sich das zu und meint, dass der Krieg jetzt sehr nahe gerückt sei. Bequemes Abwarten an der Seitenlinie sei nicht mehr möglich: "Saddam muss die Entschlossenheit der Welt spüren."

Wahre Freunde

Nach abfälligen Äußerungen von US-Politikern über "alte Europäer" und über "Länder wie Deutschland, Libyen und Kuba" beurteilt die Berner Zeitung Powells Auftritt im Sicherheitsrat als "Zwischenspiel in diesem vom US-Präsidenten inszenierten Welttheater". Kern der Botschaft sei: "Entweder ihr seid mir uns, oder ihr seid bedeutungslos."

Ähnlich äußert sich Jyllands-Posten in Århus: "In Washington täte man klug daran, sich klar zu machen, dass alte wie neue Europäer keine Vasallen sind, sondern die wahren Freunde der USA."

De Telegraaf

in Amsterdam dagegen spricht von einer "überzeugenden Darstellung" Powells: "Der Welt bleibt allmählich nichts anderes übrig, als unter Führung der Amerikaner selbst das Land zu entwaffnen. Wer sich dem entzieht, liefert sich einem Diktator wie Saddam Hussein aus.

Skepsis überwiegt bei The Guardian in London. Powells Äußerungen bieten allen Grund zur Beunruhigung, meint das Blatt - "wenn alles wahr ist". Aber genau das sei der Knackpunkt: "Powells Quellen waren überwiegend anonyme Überläufer, Häftlinge, Gespenster der Dritten Welt und der US-Geheimdienst."