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Alte Feindbilder entschieden Nicaragua-Wahl

6. November 2001

Der Führer der linksgerichteten Sandinisten, Daniel Ortega, hat zum dritten Mal hintereinander eine Präsidentenwahl in Nicaragua verloren. Sieger wurde der Kandidat der Liberalen Verfassungspartei, Enrique Bolaños.

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Daniel Ortega (rechts) gratuliert Enrique BolañosBild: AP

Für Ortega scheiterte damit der zweite und vermutlich letzte Comeback-Versuch. Er hatte das mittelamerikanische Land in den 80er Jahren regiert, nachdem seine linksgerichtete Sandinistische Nationale Befreiungsfront (FSLN) 1979 den Diktator Anastasio Somoza gestürzt hatte. Seine Präsidentschaft war von Mangelwirtschaft und dem Bürgerkrieg gegen die von den USA bezahlten rechten Contra- Rebellen gekennzeichnet.

Der 73-jährige Unternehmer Bolaños, der vier Jahre lang Vizepräsident unter Aleman war, wird der nächste Präsident Nicaraguas. Er konnte nach ersten Teilergebnissen gut 53 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen. Ortega, dessen FSLN nur 45 Prozent errang, räumte bereits seine Niederlage ein. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage des Landes sei das Oppositionsbündnis "Convergencia" zu einer konstruktiven Opposition bereit.

Alte Feindbilder

Er konnte es sich aber auch nicht verkneifen, den Grund zu nennen, der seiner Ansicht nach für die Niederlage verantwortlich war: "Die starke Einmischung einer fremden Macht." Damit ist die Regierung der USA gemeint. Das klingt so, als würden alte Feindbilder wieder ausgegraben.

Tatsächlich lag Ortega bis wenige Wochen vor der Wahl leicht vorn. Doch dann zeigte die US-Botschaft in Managua eine Parteilichkeit wie lange nicht mehr. Es vergingen kaum ein paar Tage, ohne dass der Botschafter darauf hinwies, dass man in Washington "die Möglichkeit eines sandinistischen Wahlsiegs mit großer Sorge" sehe.

Wahlentscheidende Einmischung

Nach den Anschlägen vom 11. September rückte der US-Diplomat Ortega gar in die Nähe des Terrorismus. In dessen engstem Umfeld seien noch immer Männer, die Freunde von Terroristen seien. Unterstützer von Bolaños mixten daraus einen Fernsehspot, in dem Bilder des brennenden World Trade Centers mit Porträts des mutmaßlichen Terroristenführers Osama bin Laden und von Ortega gemischt wurden. Die Botschaft unter dem Bin-Laden-Porträt: "Wenn er in Nicaragua wählen könnte, würde er seine Stimme Comandante Ortega geben."

Nicht nur der Wahlverlierer hält die massive Einmischung der USA für wahlentscheidend. Auch der Schriftsteller Sergio Ramirez, von 1984 bis 1990 Vizepräsident unter Ortega und heute einer seiner schärfsten Kritiker, ist überzeugt: "Der Bin-Laden-Effekt war eine Katastrophe."