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Alter Zwist um neue Irak-Resolution

4. September 2003

Mit Skepsis haben Bundeskanzler Schröder (r.) und Frankreichs Staatspräsident Chirac auf den US-Vorschlag für eine neue UNO-Resolution zum Irak reagiert. Die USA wollen die politische Macht im Irak mit der UNO teilen.

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Nein-Sager vereint im Dresdner ZwingerBild: AP

Der Entwurf der neuen Irak-Resolution zeige zwar eine Bewegung, sei aber "nicht dynamisch genug und nicht ausreichend genug", sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder am Donnerstag (4.9.2003) nach einem Treffen mit Chirac in Dresden. "Diese Resolution scheint uns recht weit weg von dem, was wir als prioritäres Ziel ansehen, nämlich die Übergabe der Regierungsverantwortung an die Iraker", hob auch Chirac hervor.

Schröder sagte, die Installierung einer irakischen Regierung sei aus deutscher Sicht sehr wichtig. Gemeinsam drängten beide auch auf eine führende Rolle der Vereinten Nationen (UNO) im Irak. Stabilität und Demokratie im Irak könnten sich nur entwickeln, "wenn die Vereinten Nationen die Verantwortung für den politischen Prozess übernehmen", so der Bundeskanzler. Es gehe jetzt darum, Irak eine Stabilitäts- und Demokratieperspektive zu geben. Auf ein Abstimmungsverhalten im UN-Sicherheitsrat legten sie sich jedoch nicht fest. "Wir sind noch sehr, sehr weit davon entfernt, eine Resolution vor uns zu haben, der wir uns voll und ganz anschließen können", stellte Chirac klar.

Multinationale Truppe

Die USA wollen Diplomaten zufolge am Freitag (5.9.2003) einen Entwurf für eine neue Irak-Resolution in den Sicherheitsrat der UNO einbringen. Ziel dieser Resolution ist die Stationierung einer multinationalen Friedenstruppe im Irak. Diese Truppe soll Agenturangaben zufolge unter ein "einheitliches Kommando" gestellt werden. Die USA behalten demnach die oberste militärische Befehlsgewalt im Land, werden aber aufgefordert, im Namen der multinationalen Truppe dem UNO-Sicherheitsrat mindestens alle sechs Monate Bericht zu erstatten.

In der Resolution soll zudem bekräftigt werden, dass die UNO eine "vitale Rolle" im Irak spielt, unter anderem beim wirtschaftlichen Aufbau, bei der humanitären Hilfe und dem Aufbau nationaler und regionaler Institutionen. Der von den USA eingesetzte Regierende Rat im Irak wird dem Resolutionsentwurf zufolge unterstützt und als Hauptbestandteil einer irakischen Übergangsregierung bezeichnet. Bislang war die Schaffung des Rats lediglich begrüßt worden.

Der Regierende Rat wird aufgefordert, in Zusammenarbeit mit den US-geführten Besatzern und einem UNO-Vertreter einen Zeitplan und ein Programm für eine neue irakische Verfassung und die Abhaltung demokratischer Wahlen zu erarbeiten. Die Mitgliedsländer werden aufgerufen, sich am Wiederaufbau des Irak zu beteiligen.

Warum die Kehrtwende?

US-Präsident Bush auf dem Weg nach New York
US-Präsident BushBild: AP

Vor wenigen Wochen noch hatte die Regierung von US-Präsident George W. Bush jr. (Foto) es strikt abgelehnt, Macht im Irak mit der UNO zu teilen. Der Gesinnungswandel in der Regierung dürfte auf den enormen innenpolitischen Druck zurückzuführen sein, unter den Präsident Bush in den vergangenen Wochen geraten ist. Die US-Regierung muss sich immer schärfere Fragen über die finanziellen und militärischen Lasten des Wiederaufbaus des Irak gefallen lassen.

Paul Bremer
Paul Bremer, Zivilverwalter im IrakBild: AP

Als die US-Parlamentarier noch in der Sommerpause weilten, dürfte sie eine grobe Kostenschätzung eines Regierungsvertreters wie ein Schock getroffen haben. Paul Bremer (Foto), George Bushs Statthalter im Irak, taxierte die Kosten des Wiederaufbaus während einer Stippvisite in Washington in der vergangenen Woche so: "Es wird mehrere zehn Milliarden US-Dollar kosten." Zahlreiche Parlamentarier fordern deshalb eine detaillierte Kostenaufstellung und einen genauen Wiederaufbauplan.

Vor dem Krieg hatte die US-Regierung behauptet, der Wiederaufbau würde größtenteils aus den Öleinnahmen des Irak finanziert. Das war wohl Wunschdenken, wie John Biden, führender Demokrat im Senatsausschuss für Auswärtiges, sagte: "Es gab niemals auch nur den geringsten Beweis dafür, dass dies funktionieren würde. Das Ganze ist eine Täuschung der amerikanischen Bevölkerung, die sehr böse wird, wenn der Präsident ihr nicht endlich die Wahrheit über die wirklichen Kosten sagt."

Vergleich mit Vietnam

Bremers Ziel ist es, bis zum Oktober zwei bis drei Millionen Barrel Rohöl pro Tag zu produzieren. Damit wäre gerade mal das Vorkriegsniveau erreicht. Für den Wiederaufbau wird das jedoch nicht reichen. Deshalb ist bereits die Rede von Nothilfefonds und von einem Nachtragshaushalt zugunsten des Irakeinsatzes in Höhe von mehreren Milliarden Dollar.

Schon jetzt ist klar, das Thema Irak wird die USA noch lange beschäftigen - in diesem Herbst, im kommenden Wahlkampfjahr und möglicherweise weit darüber hinaus. Das jedenfalls meint Richard Holbrooke, früherer US-Sondergesandter auf dem Balkan: "Der Irak, das muss uns klar sein, ist das größte außenpolitische Problem der USA seit dem Ende des Vietnamkriegs." (mas)