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Am Anfang wusste keiner, was es war

Martin Winkelheide5. Juni 2006

Vor 25 Jahren gab es den Namen "Aids" noch nicht. Nur eine rätselhafte Krankheit. Seitdem sind 25 Millionen Menschen an Aids gestorben - knapp 40 Millionen Menschen leben mit dem Virus.

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Das Aids-Karussel kommt nicht zur RuheBild: AP

Aids ist die größte gesundheitliche Katastrophe unserer Tage, und wir müssen lernen, mit der Seuche zu leben. Vor 25 Jahren war dies nicht absehbar. Aufgefallen war die Krankheit zunächst US-amerikanischen Medizinern von den Centers for Disease Control in Atlanta. Am 5. Juni 1981 berichten sie über die ersten Patienten. Fünf junge Homosexuelle waren in Los Angeles, Kalifornien, wegen einer besonderen Form von Lungenentzündung, einer sogenannten "pneumocystis carinii"-Infektion behandelt worden. Die Patienten litten auch unter einer bis dahin seltenen Krebsform - einem so genannten Kaposi-Sarkom. Alle fünf Patienten starben - trotz Behandlung.

In Fachkreisen machte das Auftauchen einer neuen, unerklärlichen Krankheit schnell die Runde. Wenige Wochen später war klar, dass diese Krankheit infektiöser Natur sein müsste: Die Menschen haben sich gegenseitig angesteckt. Dennoch dauerte es noch einige Monate, bis die Bedrohlichkeit dieser neuen Infektionskrankheit den Klinikern und den Patienten langsam bewusst wurde.

Abbau von Hemmschwellen

"Es gab in kurzer Zeit immer mehr Erkrankte. Es gab die ersten Todesfälle, und es wurde relativ schnell entdeckt, dass das Immunsystem der Betroffenen hochgradig geschädigt war, so dass sie irgendwelchen banalen Infektionen zum Opfer fielen", erinnert sich Reinhard Kurth, der Direktor des Robert-Koch-Institutes. Von der "Lustseuche" ist in Boulevardblättern in Deutschland die Rede, die Aids-Angst wird geschürt. In der Bundesrepublik entbrennt eine politische Debatte: Dürfen Menschen zu einem Virus-Test gezwungen werden? Wie soll der Staat mit Infizierten umgehen?

Die Bundeszentrale für gesundheitlich Aufklärung in Köln startete 1987 die erste Aufklärungskampagne im deutschen Fernsehen. Die Botschaft: "Kondome schützen". Dem Fernsehpublikum wurde der unbefangene Umgang mit Kondomen vorgemacht. Elisabeth Pott, die Direktorin der Bundeszentrale: "Hemmschwellen mussten erst einmal abgebaut werden. Es musste eine Sprache gefunden werden für die Kommunikation über Schutzverhalten, und es mussten Menschen befähigt werden, auch den Mut aufzubringen, in entsprechenden Situationen Schutzverhalten einzufordern."

"Es gibt so etwas wie eine Kondommüdigkeit"

Die Spots der frühen Jahre hatten Erfolg. Kondome sind in der Einkaufstüte so selbstverständlich wie Tomaten und Gummibärchen. Heute geht es eher darum, ein Thema im Bewusstsein zu halten, das droht, in Vergessenheit zu geraten. In Deutschland leben derzeit knapp 50.000 Menschen mit einer HIV-Infektion, schätzen Experten. Es stecken sich wieder mehr Menschen mit dem HI-Virus an - im letzen Jahr waren es 2600. Ulrich Marcus vom Robert-Koch-Institut in Berlin wundert das nicht: "Es gibt wohl so etwas wie eine Kondommüdigkeit, oder eine erhöhte Bereitschaft, Risiken einzugehen."

Seit 1996 ist durch die Kombination verschiedener Medikamente die HIV-Infektion eine behandelbare Krankheit. Die Medikamente haben starke Nebenwirkungen. Sie bringen den Fettstoffwechsel durcheinander. Arme und Beine werden dünn. Im Nacken und am Bauch bilden sich Fettpolster. Und: Heilbar ist Aids nach wie vor nicht.

Gut erforscht - aber die Herausforderung bleibt

Ende der 90er Jahre werden die Rufe - nicht allein von Aids-Aktivisten - lauter, dass die lebensverlängernden Medikamente Menschen in den armen Ländern der Welt nicht länger vorenthalten werden dürfen. Hier leben 90 Prozent der Infizierten. Von einer flächendeckenden Versorgung mit Medikamenten aber kann heute keine Rede sein. Reinhard Kurth vom Robert Koch Institut: "Vor dem Hintergrund, dass 95 Prozent aller HIV-Infizierten keine medikamentöse Behandlung erfahren, können wir natürlich einen Skandal konstatieren, aber das gleiche gilt ja auch für Tuberkulose und Malaria - die anderen großen Killer-Infektionen. Die Medikamente kommen einfach dort nicht an, wo man sie bräuchte."

Das Aids-Virus ist inzwischen das am besten erforschte Virus. Angesichts von knapp 40 Millionen Infizierten weltweit aber bleibt für Aids-Forscher viel zu tun. Die wichtigste Herausforderung: Einen Impfstoff zu entwickeln, der vor einer Ansteckung schützt. Nur so könnte die Epidemie gestoppt werden. Aber davon sind die Forscher noch weit entfernt.