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Am Mann: Ottmar Hitzfeld

25. Oktober 2007

Er hat immer mehr gewonnen als verloren. 2004 wurde er nach sechs Jahren FC Bayern jedoch vorzeitig entlassen. Aber er kehrte zurück. Ottmar Hitzfeld, Jahrgang 1949: Der Bankdirektor unter den Fußballtrainern.

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DW-TV:
Herr Hitzfeld, jetzt wollen wir mal kurz zurückblicken. Frühjahr 2007, Magath, die Nachfolge von Magath. Viele haben sich gefragt, warum tut sich der Ottmar Hitzfeld das noch mal an?

Ottmar Hitzfeld:
Ja, das war ein Bauchentscheid innerhalb von Sekunden habe ich mich entschieden bei Bayern wieder einzusteigen, nachdem Ulli Hoeneß am 30./31.Januar anrief und sagte ob ich Bayern helfen könnte. Sie wollen sich trennen von Magath und da habe ich gesagte, ok mache ich.

Uli Hoeneß:
Was mir persönlich sehr gefallen hat, dass da ein entschlossenes "Ja" innerhalb von schätzungsweise drei Sekunden kam.

Haben Sie einen Wunschzettel bei Herrn Hoeneß abgegeben und gesagt: "… so, die Spieler brauche ich"? Und haben Sie jetzt einen Dreamteam?

Ja, wir haben zurzeit schon ein Dreamteam. Und ich bin sehr froh und hätte das nicht gedacht, als wir im März, April auf den Flipcart so eine Mannschaft aufgestellt haben mit Luca Toni, mit Klose, mit Ribery, mit Ze Roberto, Altintop und all die anderen….Marcell Janssen, da war ich schon so überrascht: Mensch schaffen wir das? Kann man das umsetzen? Ist das finanziell machbar? Und nachdem dann immer wieder Vollzugsmeldungen kamen - ich wusste es natürlich früher als die Presse, war immer informiert von den Verhandlungen – da hat sich schon langsam abgezeichnet, dass wir eine super Mannschaft bekommen.

1971 begann seine Profikarriere in der Schweiz: Zwei Meisterschaften und die Torjägerkanone brachten ihn 1975 zum VfB Stuttgart. Er schoss den damaligen Zweitligisten mit 22 Toren in die erste Liga, in der er sich aber nicht durchsetzen konnte. 1978 ging er zurück die Schweiz.

Nun ist Fußball ein emotionaler Sport und Sie wirken immer ein bisschen abgeklärt am Spielfeldrand. Ist das Fassade oder sind Sie das als Person?

Ja, früher war ich viel mehr aufgeregt, früher bin ich auch die Linie rauf und runter gewandert. Noch in meiner Schweizer Zeit war ich so ein Tiger an der Linie und hab gedacht, ich kann die Mannschaft noch nach vorne pushen und etwas von meiner Energie übertragen, aber mit der Zeit merket man ja auch, die Spieler – ist ja logisch – sind mit sich selbst beschäftigt. Man muss gute Trainingsarbeit machen, dann funktioniert ja auch das Spiel. Dann muss man nicht immer raus gehen an den Spielfeldrand und rein schreien. Gut ja, als ich ein junger Trainer war, habe ich versucht auf mich aufmerksam zu machen. Habe das Pressing in der Schweiz eingeführt, das Fore-Checking. Auch die Abseitsfalle in der Schweiz mit initiiert. Und habe natürlich auf mich aufmerksam gemacht weil wir unheimlich frech gespielt haben. Das war schon ein hohes Risiko. Da würde ich heute einen Herzinfarkt kriegen, wenn ich heute so spielen würde. Ich wollte einfach auf mich aufmerksam machen, was Neues ausprobieren, was verrücktes machen.

Das Risiko hat sich gelohnt: seine Erfolge in der Schweiz machten ihn auch für die Bundesliga interessant.

1991 holte Ihn Borussia Dortmund. Nach zwei Meisterschaften und dem Champions League Sieg 1997 fing er ein Jahr später beim FC Bayern an. Er sammelte weiter fleißig Titel wie kein anderer. Der Erfolgsdruck hinterließ aber auch Spuren.

Mit Verlaub vor drei Jahren haben Sie älter ausgesehen als heute. Wie kommt das, warum ist das so?

Ja, 2004, 2003 als wir das Double gewonnen hatten, habe ich mich nicht mehr richtig freuen können. Ich war ausgelaugt. Und die Auszeit war lebensnotwendig für mich. Von 2004 jetzt zweieinhalb Jahre bis im Frühjahr das war die beste Entscheidung, die ich getroffen habe, auch die Absage an die deutsche Nationalmannschaft, als es 2004 Thema war, ob ich Bundestrainer werde oder nicht, war ich eben nicht fit, ich hab keine Kraft mehr gehabt, war ausgebrannt, und die Pause hat mir unheimlich gut getan. Und jetzt macht die Arbeit ja wieder Spaß und der Stress prallt ab. Ich habe wieder positiven Stress, positiven Druck und es macht Freude, wenn man gewinnt und Tore mach und die Mannschaft diesen Fußball spielt, dann kann´s ja einem nicht schlecht gehen.

Wenn Sie Fußballfan wären, würden Sie in die Fankurve gehen oder in den VIP-Bereich- als Zuschauer?

Das kommt darauf an, was ich mir leisten kann. Ich glaube, die Fans, die hinter in der Kurve stehen, wenn die Geld hätten, würden Sie wahrscheinlich auch irgendwo hingehen, wo sie gut sitzen und gut essen können. Oder mit dem Auto direkt ins Parkhaus reinfahren können, damit sie nicht noch ne halbe Stunde in der U-Bahn rumfahren, das hängt ja immer mit dem Lebensstandard von jedem Einzelnen zusammen. Aber ich war früher ja auch Fan. Zwar nur vom TUS Stetten, SV Lörrach, wo ich auch auf der Tribüne gestanden bin und hab mitgefiebert, also man macht immer das, was man sich eigentlich leisten kann.

Und könnte man sich beides leisten? Entweder ein Pullover oder ein Vereinstrikot? Was würden Sie bevorzugen?

In der heutigen Zeit würde ich mir nicht mehr mit einem Trikot die Spiele anschauen gehen. Aber ich freue mich über jeden Fan, der ein Trikot besitzt und Freude dabei hat. Fußball ist ja wie Religion, auch Lebensinhalt für viele Menschen, die ihren Verein haben, ihre Nation haben oder ihren Spieler haben und sich damit identifizieren. Ich das find was ganz tolles.

Bayern Stadionsprecher:

Mit der 7 Franck: RIBERY… mit der Nummer 9 Luuuca: TONI

Wird Fußball zu wichtig genommen? Oder ist es ein gutes Ventil- auch?

Ich finde, ob Fußball zu wichtig genommen wird, glaube ich nicht. Weil Fußball ist auch ein Ventil für die Gesellschaft, um am Samstag mal Luft abzulassen, ob das der normale Arbeiter ist, der sich abmüht in der Woche, dann mal auf den Platz gehen kann und sich freuen oder ärgern kann oder rumschreien oder pfeifen kann. Oder der Bankdirektor oder Angestellte, der auf der Tribüne sitzt und mit fiebert und rumschimpft und auch Luft ablässt. Also ich finde, das ist ein sehr guter Volkssport, der auch in den letzten Jahren, vor allen Dingen auch mindestens seit der WM sehr, sehr gesellschaftsfähig geworden ist.

Haben Sie denn mittlerweile das so genannte Bayern-Gen? Oder ist es für Sie ein Job?

Das Bayern-Gen habe ich schon immer gehabt, sonst hätte ich nicht hier so erfolgreich arbeiten können.