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Amnesty: Gaddafi-Anhänger werden gefoltert

13. Oktober 2011

Früher waren es die Schergen des Diktators, heute misshandeln Sicherheitskräfte der neuen libyschen Führung Häftlinge. Die Menschenrechtsorganisation warnt deshalb vor einem Rückfall in überwunden geglaubte Zeiten.

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Demonstration von Gaddafi-Anhängern im Februar 2011 in Tripolis (Foto: dapd)
Jetzt sind sie die Opfer: Anhänger von Gaddafi - hier eine Demonstration im FebruarBild: dapd

In libyschen Gefängnissen werden laut Amnesty International Anhänger des früheren Machthabers Muammar al-Gaddafi schwer misshandelt. Häftlinge würden häufig gefoltert, um Geständnisse zu erpressen, erklärte die Menschenrechtsorganisation in einem am Donnerstag (13.10.2011) in London veröffentlichten Bericht. Seitdem die Rebellen Ende August Tripolis eingenommen hätten, seien rund 2.500 Gaddafi-treue Soldaten und mutmaßliche Söldner in der libyschen Hauptstadt sowie in der 50 Kilometer entfernten Stadt Sawija gefangen genommen worden. Lokale Gremien oder Milizen hielten sie fast immer ohne rechtliche Grundlage fest. Besonders dunkelhäutige Libyer und Schwarzafrikaner sind laut dem Bericht von willkürlichen Verhaftungen bedroht. Viele Libyer verdächtigen sie, als Söldner für Gaddafi gearbeitet zu haben.

Peitschenhiebe und Schreie

Schwarzafrikanische Kämpfer Gaddafis im März 2011 in der umkämpften Stadt Misrata (Foto: dpa)
Schwarzafrikaner in Gaddafis Diensten: Sie sind heute am häufigsten Opfer von MisshandlungenBild: picture-alliance/dpa

Amnesty befragte nach eigenen Angaben im August und September rund 300 libysche Häftlinge. Viele berichteten von Schlägen und anderen Misshandlungen. In einer Haftanstalt fanden die Ermittler mögliche Folterinstrumente, in einer anderen hörten sie Peitschenhiebe und Schreie. Amnesty forderte das Justizministerium auf, die Gefängnisse unter seine Kontrolle zu bringen. Häftlinge müssten nach rechtstaatlichen Grundsätzen behandelt werden. "Wenn der nationale Übergangsrat nicht schnell und entschlossen handelt, besteht das Risiko, dass sich einige Muster der Vergangenheit fortsetzen", warnte der Nordafrika-Experte von Amnesty, Hassiba Hadj Sahraoui. Schon unter Gaddafi waren Gefangene misshandelt worden. Bei einem Treffen mit Amnesty-Vertretern im September habe der Übergangsrat erklärt, gegen die Zustände vorgehen zu wollen, heißt es in dem Bericht weiter. Dieses Versprechen müsse schnell eingelöst werden.

Mutassim Gaddafi (Foto: dpa)
Mutassim GaddafiBild: picture-alliance/dpa

Unterdessen wurde in Libyen die angebliche Festnahme eines weiteren Sohnes von Gaddafi mit großem Jubel gefeiert. Mit Gewehrsalven, Feuerwerkskörpern und Hupkonzerten bejubelten die Menschen am frühen Donnerstagmorgen die Nachricht, dass Truppen der Übergangsregierung in der umkämpften Stadt Sirte Gaddafis Sohn Mutassim aufgriffen. Erste Berichte über seine Gefangennahme wurden jedoch im Laufe des Tages in der Hauptstadt Tripolis nicht bestätigt. Ein Sprecher der Militärführung sagte dem Nachrichtensender Al-Dschasira, er habe mit niemandem gesprochen, der Mutassim al-Gaddafi in Gefangenschaft gesehen hätte. Dieser war früher nationaler Sicherheitsberater sowie Kommandeur der Prätorianergarde seines Vaters gewesen.

"Verletzte sind Helden des libyschen Volkes"

Sirte gilt als eine der letzten Hochburgen Gaddafis. Mutassim hat nach Angaben der neuen Regierung zuletzt den Widerstand der Anhänger seines Vaters in Sirte angeführt. Befehlshaber der Übergangsregierung sagten vor Ort, inzwischen seien 80 Prozent von Gaddafis Geburtsstadt unter ihrer Kontrolle. Flüchtig sind auch noch der Ex-Diktator selbst und sein bekanntester Sohn, Saif Al-Islam.

Wirtschaftsminister Rösler und der libysche Gesundheitsminister Naji Barakat in Tripolis (Foto: dpa)
Wirtschaftsminister Rösler (li) und der libysche Gesundheitsminister BarakatBild: picture-alliance/dpa

Deutschland wird 150 Libyer aufnehmen, die während der Kämpfe schwere Verletzungen erlitten haben. Eine entsprechende Zusage machte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler während seines Besuchs in Tripolis. Bereits in der kommenden Woche soll die Luftwaffe die ersten Patienten nach Deutschland bringen. Die neue libysche Führung geht von bis zu 2000 Verletzten aus, die behandelt werden müssen. Rösler sagte: "Wir wissen, dass es Helden des libyschen Volkes sind." Bei den Gesprächen mit dem deutschen Wirtschaftsminister machte die libysche Seite klar, dass die deutsche Unterstützung und die deutsche Wirtschaft im Land "sehr willkommen" seien. Betätigungsfelder gebe es weiterhin im Energiesektor. Besonders seien aber jetzt Hilfen oder Unterstützung bei der Ausbildung der jungen Libyer und im Gesundheitswesen gefragt. Rösler traf in Tripolis unter anderem mit seinem Amtskollegen Abdullah Shamia und Gesundheitsminister Naji Barakat zusammen.

Autor: Stephan Stickelmann (afp, dpa, dapd, epd, rtr)
Redaktion: Hajo Felten