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Amnesty und HRW bleiben standhaft

25. Mai 2015

Das vom russischen Präsidenten Putin in Kraft gesetzte, verschärfte Gesetz gegen "unerwünschte" Organisationen hat heftige internationale Proteste ausgelöst. Bekannte NGOs lassen sich von dem Gesetz nicht beeindrucken.

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Sergei Nikitin Amnesty Russland (Archivfoto 2012: AFP)
Bild: Getty Images/AFP/N. Kolesnikova

Trotz des umstrittenen Gesetzes zur Kontrolle ausländischer Nichtregierungsorganisationen (NGOs) halten internationale Menschenrechtsgruppen an ihrer Arbeit in Russland fest. "Wegen des neuen Gesetzes wird Amnesty International seine Arbeit nicht ändern", sagte Amnesty-Russland-Chef Sergej Nikitin (Artikelbild) der Nachrichtenagentur Interfax. Er bezeichnete das Gesetz als Schlag gegen die Zivilgesellschaft. Es setze vor allem russische Organisationen unter Druck.

Auch Tatjana Lokschina von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) bekräftigte, ihre Organisation wolle unbeirrt in Russland weitermachen. Die Neuregelung richte sich eher gegen einheimische Gruppen als gegen internationale Akteure. Um HRW in Russland zu schließen, brauche es dieses Gesetz nicht. "Das kann das Justizministerium zu jedem beliebigen Zeitpunkt machen", sagte die Aktivistin.

Härtere Sanktionen gegen NGOs

Der neue Text ist eine Verschärfung bestehender Restriktionen. Nun können Organisationen als "unerwünscht" eingestuft werden, wenn sie als Bedrohung für die öffentliche Sicherheit oder für "die Grundwerte des russischen Staates" angesehen werden - und zwar unter weitgehender Umgehung des Justizsystems. Die Arbeit von Organisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International, die in Russland sehr aktiv sind, könnte nach Ansicht von Beobachtern dadurch massiv erschwert werden.

Die Strafen reichen von einem Einfrieren der Guthaben, einem generellen Verbot der Aktivitäten und Publikationen bis hin zu einem Einreiseverbot und bis zu sechs Jahren Haft für die Mitglieder. Das Gesetz, das fast ohne Gegenstimmen verabschiedet wurde, trifft auch russische Bürger und Organisationen, die mit "unerwünschten" NGOs zusammenarbeiten.

Bereits 2012 hatte die Staatsduma ein umstrittenes Gesetz verabschiedet, nach dem von außerhalb Russlands finanzierte NGOs zu "ausländischen Agenten" erklärt werden können. Nach Darstellung von HRW sind mittlerweile fast 60 Organisationen auf diese Weise abgestempelt worden. Viele von ihnen hätten wegen des Stigmas die Arbeit eingestellt.

EU pocht auf Redefreiheit

Nach den USA kritisierte auch die Europäische Union das Inkrafttreten der Neuregelung. Diese sei "ein beunruhigender Schritt in einer Reihe von Restriktionen gegen die Zivilgesellschaft, gegen unabhängige Medien und gegen die politische Opposition" in Russland, sagte ein EU-Sprecher in Brüssel. "Dadurch werden die Freiheit der Rede und der Medien sowie die Meinungsvielfalt beschnitten."

Zuvor hatten bereits die USA von einem "weiteren Beispiel für die Unterdrückung unabhängiger Stimmen durch die russische Regierung" gesprochen. Die stellvertretende Sprecherin des Außenministeriums, Marie Harf, sagte, man sei besorgt, dass die Arbeit der Zivilgesellschaft in Russland nun weiter eingeschränkt werde. Ziel sei es, das russische Volk "vom Rest der Welt zu isolieren". Die US-Regierung unterstützt zivilgesellschaftliche Organisationen und Hilfsprogramme in Russland seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion mit mehreren Milliarden Dollar im Jahr. Die Beziehungen zwischen Washington und Moskau sind aber wegen des blutigen Ukrainekonflikts auf einem Tiefpunkt.

Förderung der Fremdenfeindlichkeit?

Human Rights Watch kritisierte, das Gesetz fördere Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus. Über einen "weiteren Schritt, den Vorhang zwischen unserem Land und dem Westen zuzuziehen", klagte die Menschenrechtsaktivistin Ljudmila Alexejewa. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatte Putin aufgefordert, sein Veto gegen das Gesetz einzulegen - dennoch setzte er am Samstagabend seine Unterschrift darunter. Kritiker argumentieren, die vagen Formulierungen des Gesetzes könnten auch dazu führen, dass gegen ausländische Wirtschaftsunternehmen in Russland vorgegangen werde. Zudem gebe es keine Möglichkeit, sich auf juristischem Wege gegen die Einstufung als "unerwünscht" zu wehren.

Der russische Abgeordnete Alexander Tarnawski hatte den Text vor wenigen Tagen als "präventive Maßnahme" gerechtfertigt. In Russland ansässige Unternehmen sollten ausschließlich Geschäfte machen und sich nicht in die Politik einmischen, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Niemand habe "Lust, das Gesetz anwenden zu müssen". Das Gesetz sei überdies durch die westlichen Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Konflikts "notwendig" geworden.

kle/haz (dpa, afp)