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Amtshilfe aus Deutschland für Osteuropa

7. September 2006

Viele Länder in Ost- und Südosteuropa, deren Rechtssysteme sich noch im Aufbau befinden, nehmen bewährte ausländische Systeme zum Vorbild. Deutschland ist bei dieser rechtlichen Zusammenabeit "Exportweltmeister".

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Justitia als ExportgutBild: bilderbox
Der Inhalt deutscher Gesetzesbücher ist im Ausland sehr gefragt, aber natürlich wird kein Rechtssystem einfach ‚exportiert’. "Der Begriff ‚Export’ meint, dass ein bestimmtes Produkt in ein anderes Land transferiert wird. Und das tun wir im rechtlichen Bereich nun gerade nicht", erklärt Matthias Weckerling, Geschäftsführer der Stiftung für Internationale Rechtliche Zusammenarbeit in Bonn. "Wir versuchen die Situation in unseren Partnerstaaten zu verstehen und maßgeschneiderte Lösungen anzubieten." So werde Rücksicht auf die Bedürfnisse, die nationalen Rechtstraditionen und die Rechtsentwicklung des jeweiligen Landes genommen und nicht einfach ein deutsches Gesetz oder eine deutsche Struktur in ein anderes Land "umgepflanzt".

Auch Deutschlands eigene Interessen im Blick

Partnerländer der Bonner Stiftung für Internationale Rechtliche Zusammenarbeit sind unter anderem die neuen osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten, aber auch Russland, Georgien, die Ukraine und die Beitrittskandidaten Bulgarien und Rumänien. Die Stiftung verfolge dabei nicht nur hehre Ziele, gesteht Matthias Weckerling. Denn die deutsche Wirtschaft habe es im Ausland wesentlich leichter, wenn sie dort ein bekanntes Rechtssystem vorfinde. "Die Exportchancen der deutschen Wirtschaft und die Tätigkeit der Unternehmen in den Umbruchstaaten in Ost-, Mittel- und Südosteuropa zu verbessern ist sicherlich ein Ziel, das im Hintergrund immer noch eine Rolle spielt", sagt Weckerling. Aber noch wichtiger sei es, den Staaten zu helfen, einen Rechtsstaat zu entwickeln, eine juristische Berufskultur und Rechtsbewusstsein bei den Bürgern zu wecken.

Konkurrenz aus Übersee

Auf dem Markt des Rechts-Exports wird Deutschland eine führende Rolle zugeschrieben. Aber auch andere Staaten wie Holland, Spanien, Frankreich, Großbritannien und Österreich sind maßgebend im Feld der internationalen rechtlichen Zusammenarbeit. Dabei geht es zum einen um mehr Kooperation bei europäischen Projekten, zum anderen um die Entwicklung einer gesamteuropäischen Rechtsordnung. Ein großes Problem ist jedoch der Druck außereuropäischer Rechtssysteme, namentlich aus den USA. "Die US-amerikanischen Berater versuchen, strategisch ihre Interessen durchzudrücken", so Weckerling. "Insbesondere über die Weltbank versuchen sie, ihre gesetzgeberischen Vorstellungen zu transferieren." Er wünsche sich auf internationaler Ebene mehr Kooperation und Konsens statt Konkurrenz. Dies sei besonders wichtig mit Blick auf die bevorstehende Erweiterung der EU.

Langfristige Zusammenarbeit

Anfang 2007 sollen Bulgarien und Rumänien der Europäischen Staatengemeinschaft beitreten. In ihren Fortschrittsberichten kritisiert die EU in beiden Ländern vor allem die Verschleppung der Justizreform. Es gibt also noch viel Arbeit für Matthias Weckerling und seine Kollegen. "Mit dem Beitritt ist die Arbeit nicht abgeschlossen, sondern fängt erst richtig an. Der Aufbau eines Rechtsstaates ist ein sehr langer Prozess, da muss man eher in Jahrzehnten als in Jahren denken", weiß er. "Die Hilfe muss ja nicht nur angeboten, sondern auch akzeptiert werden." Weckerling hofft darauf, dass Bulgarien und Rumänien weiterhin aufgeschlossen bleiben für eine Zusammenarbeit mit den Rechtsexperten aus Deutschland.

Darya Popova-Witzel
DW-RADIO/Bulgarisch, 6.9.2006, Fokus Ost-Südost