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An der Seite Amerikas Politik gestalten

Kommentar von Bettina Marx 11. November 2001

Regierungserklärung des Bundeskanzlers zur Terrorismusbekämpfung

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"Zu Beginn dieses neuen Jahrhunderts steht Deutschland auf der richtigen Seite." Mit diesem Schlüsselsatz hat Bundeskanzler Gerhard Schröder in seiner Regierungserklärung am Mittwoch (19.9.) vor dem Deutschen Bundestag den Standort der Bundesrepublik Deutschland eine Woche nach den Terroranschlägen in New York und Washington bestimmt. Deutschland steht auf der richtigen Seite, an der Seite der USA, die Opfer eines grausamen und verheerenden Terroranschlags geworden sind. An der Seite der freien Welt, die aufgerufen ist, im Angesicht dieses Terrors ihre grundlegenden Werte, Demokratie, Menschenrechte und Freiheit zu verteidigen. Für Deutschland ist das eine Frage der Dankbarkeit. Denn ohne die Solidarität, ohne die Unterstützung und ohne den Schutz der USA hätte die Bundesrepublik in der Zeit des Kalten Krieges nicht ihre Freiheit wahren können. Und ohne Zustimmung der USA hätte sie nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nicht die Wiedervereinigung erreichen können.

Verpflichtung zur Solidarität

Diese Erfahrungen verpflichten zur Solidarität mit den USA. Und Solidarität ist es, was die Mehrheit der deutschen Bevölkerung in diesen Tagen empfindet. Mit beeindruckendem Mitgefühl haben die Menschen in Deutschland auf das Unglück reagiert, das die Vereinigten Staaten von Amerika erschüttert hat. Bei unzähligen Trauerkundgebungen, Schweigemärschen und Gedenkminuten haben sie Anteil genommen. Zehntausende haben sich in die Kondolenzbücher eingetragen.

Die Überzeugung, auf der richtigen Seite zu stehen, muss jedoch über diese Trauerbekundungen hinaus führen. Sie muss die Bundesregierung und das deutsche Parlament tragen bei den schweren Entscheidungen, die jetzt anstehen. Denn die USA brauchen nicht nur die moralische Unterstützung ihrer Bündnispartner, sie brauchen auch tatkräftige Hilfe bei der Bekämpfung des Terrors, der in der vergangenen Woche die ganze Welt als Geisel genommen hat. Dabei darf auch eine deutsche Beteiligung an militärischen Einsätzen kein Tabu sein. Denn es geht eben nicht nur um Dankbarkeit gegenüber den USA, es geht auch um unsere eigenen Interessen. Es geht um unsere Sicherheit, um unsere Freiheit, um unseren Frieden. Ohne Wenn und Aber muss Deutschland daher an der Seite seiner Verbündeten stehen. Einen deutschen Sonderweg darf und kann es nicht geben. Jedes Zögern verbietet sich angesichts der immensen Herausforderungen, vor denen die freie Welt steht nach den Terrorattacken der vergangenen Woche.

Terroristensumpf muss trocken gelegt werden

Parallel zu den zu erwartenden militärischen Gegenschlägen, die auch und vor allem als Abschreckung dienen sollen vor weiteren und möglicherweise noch schlimmeren Anschlägen, muss aber eine langfristige Politik entworfen werden. Eine Politik, die den Sumpf trockenlegt, aus dem die Terroristen ihre Anhänger rekrutieren. Eine Politik, die keine Grenze kennt zwischen erster und dritter Welt und die überall für Demokratie und Pluralismus, für Wohlstand und Gerechtigkeit eintritt. Diese Politik muss konsequent sein in der Verteidigung der universellen Werte von Menschenwürde und Freiheit. Sie muss die Einhaltung der Menschenrechte überall einfordern - auch von den Staaten, die über große Erdölvorkommen verfügen und versprechen, die materiellen Bedürfnisse des Westens zu decken. Diese Politik darf vor allem nicht die Augen verschließen vor der heimlichen Unterstützung des Terrors, der Intoleranz und des religiösen Fanatismus.

Die Bundesregierung ist hier auf einem guten Weg. Der Durchbruch im Nahen Osten, der vielleicht tatsächlich zu einer Beruhigung der explosiven Lage führen kann, geht nicht zuletzt auch auf die Vermittlungsbemühungen von Bundesaußenminister Joschka Fischer zurück. Er zeigt, dass die deutsche Außenpolitik längst aus dem Schatten der internationalen Politik herausgetreten ist und die vornehme Bescheidenheit früherer Jahre endgültig der Vergangenheit angehört. Er zeigt auch, dass die deutsche Außenpolitik gestaltend wirken kann, an der Seite und im Einvernehmen mit den Vereinigten Staaten. Und manchmal sogar als Ergänzung zur Politik der Weltmacht.