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Analyse: NATO will globaler werden

Bernd Riegert9. Februar 2006

Die NATO hat 26 nordamerikanische und europäische Mitglieder. Mit neuen Kooperationspartnern will sie sich global ausbreiten.

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NATO's Generalsekretär Jaap de Hoop SchefferBild: AP

Die US-amerikanische Botschafterin bei der NATO, Victoria Nuland, hält schon seit Monaten bei vielen Gelegenheiten Reden zum Thema: "Die NATO muss globaler werden." Den jüngsten Beitrag in dieser Serie lieferte sie ein paar Tage vor der Münchner Sicherheitskonferenz in der NATO-Schule in Oberammergau ab. Die Forderung, dass die NATO fähig sein müsse, weltweit Truppen einzusetzen, wenn die Interessen der Allianz berührt sind, ist nicht neu. Spätestens seit dem NATO-Gipfel 2002 in Prag ist das die offizielle Marschrichtung der Allianz.

Tagungsraum der 41. Münchener Konferenz für Sicherheitspolitik
Tagungsraum der Münchner SicherheitskonferenzBild: dpa

Neueren Datums ist allenfalls die Überlegung, pazifisch ausgerichteten Staaten wie Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland eine Art förmliche Partnerschaft anzubieten. Das Etikett "Welt-Bündnis", das die Süddeutsche Zeitung der NATO anheften wollte, lehnt NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer übrigens ab. Die NATO wolle mit den asiatisch-pazifischen Partnern Kontakt zwar aufnehmen und unterhalten, aber ein Umbau der NATO zu einer Mini-UNO sei nicht gemeint. Man wolle globale Partnerschaften, aber keine Aufgabe als globaler Polizist. Jaap de Hoop Scheffer sagte am 5.2.2006 auf der Münchner Sicherheitskonferenz: "Nato is not a global policeman - die NATO ist kein Weltpolizist."

Ein hochrangiger NATO-Diplomat sagte in Brüssel, er habe nach Gesprächen mit japanischen Kollegen den Eindruck, dass Japan nicht an einer Teilmitgliedschaft, aber sehr wohl an Kontakten interessiert ist. Mit Neuseeland, Japan und Australien arbeitet das Bündnis bereits in der Afghanistan-Schutztruppe ISAF zusammen. Die gemeinsame Abwehr von Terror soll die Aufgabe sein.

NATO und der Terrorismus

Großbritannien und die Niederlande sprechen sich innerhalb der NATO für ein Netzwerk mit regionalen Mächten überall auf der Welt, auch in Asien und Afrika aus. Eine enge Anbindung, wie sie der NATO-Botschafterin Victoria Nuland und dem amerikanischen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld vorschweben mag, ist für den britischen Verteidigungsminister John Reid aber kein erstrebenswertes Ziel. Völlig abgelehnt wird diese Vorstellung von der französischen Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie. Man dürfe sich nicht verzetteln, lautet ihre Devise.

Einige europäische NATO-Länder sehen das ähnlich und möchten sich auf die Verteidigung der ureigenen Allianz-Interessen konzentrieren. Dazu gehört neben der Landesverteidigung zum Beispiel die Hilfe für Afghanistan, nicht aber ein Einsatz im Kongo. Denn in Afghanistan, so NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer, gehe es auch darum, dass nicht wieder neue Basen für den internationalen Terror entstehen. "Wir müssen dafür sorgen, dass mehr Themen auf die NATO-Agenda gesetzt werden. Zum Beispiel müssen wir auch in der NATO breit über Terrorismus, die Bedrohung und die größeren Zusammenhänge sprechen. Ich denke, dass die NATO insgesamt politischer geworden ist", meinte Scheffer.

Kooperationsmodelle der NATO

Der politische und militärische Umbau, die "Transformation" der NATO soll bis zum Herbst, bis zum nächsten Gipfeltreffen im November in Riga, abgeschlossen sein. Bis dahin will die NATO in einer Reihe von Ministertreffen ihre künftigen Aufgaben und mögliche Erweiterungen definieren. Zur Zeit hat die NATO 26 nordamerikanische und europäische Mitglieder. Weiteren europäischen Staaten, wie der Ukraine oder Georgien soll grundsätzlich eine Aufnahme in die Allianz möglich sein, so NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer. Die Tür bleibe offen für alle Demokratien in Europa, die die Bedingungen erfüllen. "Wir unterstützen Präsident Juschtschenko bei seinem Bemühen, die Ukraine in den euro-atlantischen Raum zu bringen", so Scheffer.

Zu einigen Anrainerstaaten am Persischen Golf und einigen Mittelmeerländern inklusive Israel unterhält die NATO partnerschaftliche Beziehungen, die ausgebaut werden sollen. Am "Partnerschaftsprogramm für Frieden" nehmen zentralasiatische Länder, Finnland, Österreich und einige Balkanstaaten teil. Insgesamt gibt es 20 unterschiedlich intensive Kooperationsmodelle. Russland nimmt eine priviligierte Stellung ein. Moskau wird bei fast allen politischen Themen konsultiert, im speziell dafür eingerichteten NATO-Russland-Rat.

Umstrittene Ausbaufähigkeit

Derzeit legt sich die NATO eine so genannte Reaktionstruppe (NRF) von rund 20.000 bis 25.000 Mann zu. Diese soll spätestens bis 2007 in die Lage versetzt werden, innerhalb weniger Tage weltweit einsatzfähig zu sein. Die laufende Neuausrichtung oder Transformation der NATO wird ständig weiter gehen, sagt der für Planungsfragen zuständige NATO-Vizegeneralsekretär John Colston voraus. Die Welt ändere sich und das bedeutet, dass auch wir uns ändern müssen. "Wir müssen sicher gehen, dass wir für die Herausforderungen heutiger und zukünftiger Operationen gerüstet sind. Dass wir flexibel genug sind, für unsere Sicherheit zu sorgen, was auch immer in Zukunft an Gefahren noch auftauchen könnte."

Im Moment unterhält die NATO Missionen auf drei Kontinenten: Wiederaufbau in Afghanistan, Friedenssicherung im Kosovo, Truppentransporte für die Afrikanische Union im Sudan und die Überwachung der Seewege im Mittelmeer sowie die Ausbildung von Sicherheitspersonal im Irak. Das reiche erst einmal, finden viele NATO-Partner. Das ist ausbaufähig meinen die USA. In nächster Zeit muss zum Beispiel die Frage diskutiert werden: Könnte das Militärbündnis die Durchsetzung von UN-Resolutionen im Atomstreit mit dem Iran fördern, vorantreiben oder gar erzwingen?