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Anbiederei als Wirtschaftsförderung?

Matthias von Hein4. Dezember 2003

Bundeskanzler Schröder hat China besucht, um vor allem deutsche Wirtschaftsinteressen zu vertreten. In Deutschland wurde er dafür scharf kritisiert. Zu Recht - meint Matthias von Hein in seinem Kommentar.

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Knappe vier Tage vertrat der deutsche Bundeskanzler in China die deutschen Interessen. Dass dazu natürlich auch Wirtschaftsinteressen gehören, wird ihm angesichts der Wirtschaftslage zwischen Rhein und Oder niemand verdenken. Dass Schröder das deutsche Interesse aber auf Anbiederei im Dienste der Wirtschaft verengte, hat zu Recht Kritik hervorgerufen.

China ist noch immer eine Diktatur

Warum hat Schröder ohne erkennbare Notwendigkeit die Aufhebung des Waffenembargos gegen China verlangt? Natürlich hat Schröder Recht, wenn er sagt, das China von heute sei nicht mehr das von 1989. Vieles hat sich zum Positiven gewendet und auch der Rechtsstaatsdialog gehört hier auf die Habenseite. Aber trotz aller Veränderungen und im Schatten des Wirtschaftsbooms ist China noch immer eine Diktatur: Weiterhin wird alles und jeder verfolgt, der das Machtmonopol der Kommunistischen Partei in Frage stellt.

Natürlich gehört es zu den auch von allen anderen internationalen Akteuren anerkannten Spielregeln im Umgang mit Peking, sich zur Ein-China-Politik zu bekennen. Aber so vorbehaltlos wie in Kanton hätte Schröder sich die Pekinger Haltung zu Taiwan nicht zu Eigen machen müssen. Immerhin behält sich die Volksrepublik den Einsatz von Waffen zum Zwecke der Wiedervereinigung mit der demokratisierten Insel ausdrücklich vor. Erst am Mittwoch (3.12.2003) wurden in der staatlichen Presse ranghohe Militärs mit der Aussage zitiert, Peking sei bereit, alle notwendigen Opfer bei einer gewaltsamen Wiedervereinigung in Kauf zu nehmen. Bei aller Wiedervereinigungsrhetorik hätte Schröder zumindest den Verzicht auf militärische Gewalt einfordern müssen.

Rolle des Türöffners

Schröder gefällt sich bei seinen China-Reisen in der Rolle des Türöffners, des Anbahners von Milliardengeschäften. Aber je mehr sich Chinas Wirtschaft reformiert, desto weniger spielt die früher so bedeutsame politische Flankierung von Geschäften eine Rolle. Heute entscheidet in China das Preis-Leistungs-Verhältnis über Aufträge. Die Wirtschaftsförderung hätte Schröder dem - nicht mitgereisten - Wirtschaftsminister Wolfgang Clement überlassen sollen. Er selbst hätte seine erste Begegnung mit der neuen Führung des Landes nutzen sollen, die politischen Interessen Deutschlands zu verfolgen: China verlässlich einzubinden in multilaterale Systeme, so wie es bei der Welthandelsorganisation WTO schon recht erfolgreich gelungen ist. Und China zum Einhalten internationaler Rechtsstandards aufzufordern - nicht nur beim Schutz des geistigen Eigentums, sondern auch bei den Menschenrechten.

Das von allen Beteiligten als vertrauensvoll und gut eingestufte Verhältnis zwischen Berlin und Peking mit unangenehmen Themen zu testen, hat Schröder an andere delegiert - allen voran seine Justizministerin Brigitte Zypries.

Bei so viel Zurückhaltung ist es kein Wunder, dass Chinas neue Führung Schröder als alten Freund des Landes begrüßt. Für Ministerpräsident Wen Jiabao war das Gespräch mit Schröder wohl kaum mehr als eine günstige Gelegenheit, sich schon einmal warm zu laufen für die Begegnung mit dem westlichen Politiker, auf den es Peking wirklich ankommt: Am Dienstag (9.12.2003) trifft Wen in Washington US-Präsident George W. Bush.