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Andersrum im Stadion: Homosexualität und Fußball

Sola Hülsewig6. November 2008

Homosexualität im Fußball ist ein Tabu. Dafür, dass sich das ändert, kämpft der schwule Ex-Fußballer Marcus Urban. Gleichzeitig bauen schwul-lesbische Fanclubs wie die Rainbow-Borussen an der Basis Vorurteile ab.

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Alexander mit Schal "Rainbow-Borussen", Foto: Sola Hülsewig
"Oh Borussia Dortmund, hunderttausend Freunde, ein Verein", singen Alexander (vorne) und seine Freunde.Bild: DW/Sola Hülsewig

Die Südtribüne im Dortmunder Westfalenstadion ist ein schwarz-gelbes Meer, das im Takt hin und her wogt. Mitten drin auf Block 14: Alexander, Jens und ihre Freunde. Sie schauen mit feuchten Augen auf den Scheinwerfer-bestrahlten Rasen unter ihnen und halten ihre Schals nach oben. "Rainbow-Borussen" steht drauf. Das Gruppengefühl hüllt alle ein. Eine halbe Stunde später ist das Spiel gegen Hertha BSC in vollem Gange.

Schwul oder hetero - bei Fußballfans egal?

Jens, Präsident der Rainbow-Borussen, mit Fan Foto: Sola Hülsewig
Der eine ist schwul, der andere nicht - über das 1:1 gegen Hertha freuen sie sich zusammen. Jens (rechts) mit befreundetem FanBild: DW/Sola Hülsewig

"Herr Subotic, aufwachen, Torgefahr!", ruft Alexander der Nummer Vier auf dem Spielfeld zu. Die Rainbow-Borussen benutzen weniger Kraftausdrücke als der Prototyp des Borussiafans. Was die Liebe für den Verein angeht, unterscheidet sie aber nichts von ihren Nachbarn auf der Südtribüne. Man kenne sich inzwischen, sagt Jens, der Präsident der Rainbow-Borussen: "Das ist ne richtig schöne Clique, die da entstanden ist." Als er einem Block-Nachbarn mal gesagt habe, er sei schwul, habe der andere zwei kurze Sätze darüber verloren - dann war das Thema schon wieder Fußball, erzählt Jens.

Es scheint also ganz einfach zu sein, sich als schwuler Fußballfan zu outen. Aber ist die Idylle der hunderttausend Freunde im Stadion Wirklichkeit, wie sie die Fans besingen? Im deutschen Profifußball hat sich noch kein Spieler zu seiner Liebe zu Männern bekannt. Die Angst, in der Männerdomäne Fußball verachtet und ausgegrenzt zu werden, ist nach wie vor groß.

Versteckspiel im Sportlerinternat

Der ehemalige DDR-Jugendnationalspieler Marcus Urban kämpft dafür, dass das anders wird. Der Sportjournalist Ronny Blaschke hat seine Geschichte in dem Buch Versteckspieler festgehalten. Marcus Urban durchlief als Jugendlicher einen Alptraum: Im Sportlerinternat merkte er, dass er auf Männer steht. Das Thema wurde in den 80er Jahren in der DDR noch tot geschwiegen. Niemand klärte Marcus auf, er fühlte sich abnormal.

Ronny Blaschke vor dem Plakat seines Buches "Versteckspieler", Foto: Sola Hülsewig
Buchautor Ronny Blaschke, hinter ihm auf dem Plakat Marcus UrbanBild: DW/Sola Hülsewig

Umgeben von Jungs und Männern versuchte er, vergeblich, seine Gedanken weg zu schieben. Er trainierte immer härter, um sich abzulenken. Damit die anderen nur ja nichts merkten, gab Marcus sich betont männlich, riss Machowitze und gab sogar vor, für Frauen zu schwärmen.

Aus der Traum

Anfang der 90er Jahre war Marcus Urban kurz davor, in die zweite Bundesliga aufzusteigen. Er brach seine Karriere ab, weil er es nicht mehr aushielt, sich ständig verstellen zu müssen.

Noch heute hat er psychische Probleme wegen der Gefühle, die er in der Vergangenheit unterdrückt hatte. Dabei hat sich Urban am meisten selbst unter Druck gesetzt: Als Schwuler beschimpft wurde er nie, sagt Blaschke. Der Journalist glaubt nicht an den Spießrutenlauf, den viele dem ersten bekennenden schwulen Bundesligaspieler prophezeien. Trotzdem bezweifelt er, dass sich so schnell jemand im Profifußball outen wird.

Am leichtesten wäre es noch für einen ehemaligen Spieler, der seine Karriere schon hinter sich hat, glaubt Blaschke. Am Besten ein Spieler, der als sehr männlich gilt und gleichzeitig erfolgreich war. "Wenn jemand wie Oliver Kahn sagen würde, er wäre schwul - auch wenn Kahn meines Wissens nicht schwul ist - hätte die Fußballwelt ihre Vorbildrolle", sagt Blaschke.

Auf Schreihälse zugehen

Rainbow-Borussen Präsident Jens mit Schal, Foto: Sola Hülsewig
Der Präsident der Rainbow-Borussen Jens (vorne)Bild: DW/Sola Hülsewig

Bis so ein Beispiel eintritt, versuchen schwul-lesbische Fanclubs wie die Rainbow-Borussen in den Stadien für mehr Offenheit zu sorgen. Schwulenfeindlichkeit persönlich auf die Leute zuzugehen, bringe viel mehr, als sämtliche Anti-Homophobie-Kampagnen im Stadion, sagt Alexander. Ein Beispiel: Ein befreundeter Fanclub hörte hinter sich das Gebrüll: "Wiese ist `ne schwule Sau". Es ging um den Bremer Torwart, erzählt Alexander. Sein Bekannter sprach darauf hin einen der Schreihälse an und sagte, er sei selber schwul und fühle sich diskriminiert. Daraus sei ein interessanter Dialog entstanden, bei dem der Fan sich für seine schwulenfeindlichen Sprüche entschuldigt habe.

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