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Anerkennung auf Bosnisch

Bosnische Teenager lernen lieber Englisch statt Deutsch. Doch die Beziehungen zu Deutschland sind eng. Darum fördert das Goethe-Institut hier seit einem Jahr den Deutschunterricht. In Gračanica hat das Vieles verändert.

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Aufschrift 'Gimnazija' an einer Wand im Schulgebäude (Foto: Marlis Schaum)
Bild: DW

Walter Ulbricht hat sich erstaunlich gut gehalten. In T-Shirt und Jeans versichert der DDR-Staatschef, niemand habe die Absicht, eine Mauer zu bauen. Sein Deutsch ist einwandfrei, aber mit bosnischem Akzent, denn hinter Walter steckt Anis aus Tuzla, 15 Jahre alt. Fünf Tage hat er schulfrei und wird dafür so lange den Walter Ulbricht geben, bis Anne Zühlke zufrieden ist.

Bosnische Schüler bei einer Theaterprobe (Foto: Marlis Schaum)
Anis als Walter Ulbricht im InterviewBild: DW

Die Theaterpädagogin ist aus Berlin nach Bosnien angereist, um mit 21 Schülern eine Collage über den Mauerfall einzustudieren – auf Deutsch. Das Ganze gehört zum "PASCH"-Projekt des Goethe-Instituts in Sarajevo. Es fördert an sieben so genannten Partnerschulen in Bosnien den Deutschunterricht. Am ersten Tag war Anne Zühlke schockiert "über die geringen Deutschkenntnisse der Schüler", aber inzwischen seien die Teenager aufgetaut.

Hemmungen ade!

Helle Köpfe seien das und ihre Motivation beim Theaterspielen ganz unterschiedlich. Die einen wollten mal Schauspieler werden, die anderen ihr Deutsch verbessern. Das ist auch das eigentlich Ziel dahinter: Deutsch als lebendige Sprache entdecken, besser sprechen lernen und Hemmungen verlieren. Sogar Melisa macht mit, obwohl sie es außerhalb des Klassenzimmers vermeidet, Deutsch zu sprechen und kichernd mit Englisch pariert.

Jasmin Mujkic und sein Kollege Samer Abbas - Deutschlehrer am Gymnasium Mustafa Kamaric in Gracanica (Foto: Marlis Schaum)
Jasmin Mujkic und sein Kollege Samer AbbasBild: DW

Englisch lernen bosnische Schüler ab der Grundschule, Deutsch ist für die meisten nur die zweite Fremdsprache. Jasmin Mujkic hadert deshalb manchmal mit der Motivation seiner Schüler. Seit acht Jahren unterrichtet er am "Gymnasium Mustafa Kamaric" Deutsch und ist überzeugt, "dass wir das Niveau, das sie durch die Berieselung mit deutschen Fernsehsendern erreichen können, so in der Schule nicht erreichen können." Deshalb liebt Jasmin Mujkic das PASCH-Projekt. Immer habe es geheißen: "Warum sollen die Kinder denn Deutsch lernen? Mit Englisch kommt man doch überall zurecht!" Seit das Gymnasium eine Partnerschule des Goethe-Instituts sei, habe sich etwas verändert. Jetzt habe man die Anerkennung von Schülern, Eltern und dem eigenen Schulleiter.

Bosnische Schüler mit der Theaterpädagogin Anne Zühlke (Foto: Marlis Schaum)
Alle Neune mit Anne Zühlke in der MitteBild: DW

Neben der Anerkennung gibt es vom Goethe-Institut Sarajevo viel Materielles. Bücher, Computer, Internetzugang, Unterrichtsmaterial und eine Rucksackbibliothek. Die Lehrer können an Fortbildungen teilnehmen und einige bosnische Schüler an einem Sprachkurs in Deutschland. Jasmina gehörte dazu. Drei Wochen verbrachte sie im August mit PASCH-Schülern aus aller Welt an der Nordseeküste in St. Peter Ording. Das Tollste sei das Zusammentreffen mit Menschen aus 13 Nationen gewesen, schwärmt sie.

Zweite Heimat Deutschland

Jasmina spricht Deutsch fließender als Englisch, was auch daran liegt, dass sie während des bosnischen Krieges Anfang der 90er Jahre in der Schweiz gelebt hat. So wie viele Bosnier. Sie flüchteten vor den Kämpfen auch nach Österreich und Deutschland, einige kamen zurück, manche sind dort geblieben. Das ist Bosniens besondere Verbindung mit Deutschland. Abgesehen von den zahlreichen Wirtschaftsbeziehungen, den bosnischen Fußballspielern in der deutschen Bundesliga und den deutschen Fernsehsendern, die man hier ohne Probleme empfangen kann.

Das Gymnasium Mustafa Kamaric in Gracanica, Bosnien (Foto: Marlis Schaum)
Beige-gelber Universaltraum mit Wachmann - das Gymnasium Mustafa Kamaric in GracanicaBild: DW

Drei Jahre dauert die Förderung im Rahmen des PASCH-Projektes. Danach wird es aus finanziellen Gründen erstmal keine neuen Partnerschulprogramme geben, aber Ana Raos vom Goethe-Institut in Sarajevo ist überzeugt, dass der Deutschunterricht an bosnischen Schulen auf die eine oder andere Art weiter gefördert wird. In Bosnien habe man endlich erkannt, wie wichtig Fremdsprachen seien, sagt sie. Nicht selbstverständlich für ein Land, dessen Bewohner ohne Visum gerade mal nach Serbien und Kroatien reisen können.

Autorin: Marlis Schaum

Redaktion: Aya Bach