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Angela Merkel: Die erste Kanzlerkandidatin in Deutschland

Wolter v. Tiesenhausen, Berlin30. Mai 2005

Angela Merkel ist offizielle Kanzlerkandidatin der CDU/CSU. Die Frau, die Deutschlands erste Bundeskanzlerin werden könnte, hat den Ruf als "Kohls Mädchen" längst abgelegt und ihren Willen zur Macht bewiesen.

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Auf dem Weg zur Macht? Die CDU-Chefin gilt als zielstrebigBild: AP

Es muss kein Nachteil sein, wenn man vom politischen Gegner oder innerparteilichen Mitbewerber unterschätzt wird. Angela Merkel, die am Montag (30.5.) zur gemeinsamen Kanzlerkandidatin von CDU und CSU gekürt wurde, ist von vielen sowohl in der eigenen Partei als auch in der breiteren Öffentlichkeit lange Zeit nicht ganz für voll genommen worden. Der jungen Frau aus dem Osten fehlten alle Attribute, die nach landläufiger Meinung einen erfolgreichen Politiker ausmachen: die Lehrzeit in der Jugendorganisation der Partei, ein tragfähiges Netzwerk von Beziehungen, die Einbindung in eine wirkungsvolle Hausmacht und vor allem der elegante Umgang mit den Medien.

Pfarrerstochter

Angela Merkel, die in diesem Jahr 51 Jahre alt wird, wurde in Hamburg geboren. Sie wuchs aber in Templin in der Uckermark nördlich von Berlin - und damit in der DDR - als Tochter eines evangelischen Pfarrers auf. Die Bindung an die Heimat hat für Angela Merkel auch heute noch einen ganz besonderen Stellenwert, wie sie einmal sagte: "Ich halte es zum Beispiel für ganz wichtig auch bei Politikern, dass wir die Möglichkeit haben - selbst wenn man in der Regierung ist - zum Beispiel einen Wahlkreis zu haben. Also, zu wissen, wo komme ich her, wo gehen die Leute noch anders mit einem um, als wenn ich immer nur herumreise und herumtoure."

In Leipzig studierte Angela Merkel Physik, war dann wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Akademie der Wissenschaften und promovierte. Erst mit dem Zusammenbruch des Kommunismus wurde sie politisch aktiv. Als stellvertretende Pressesprecherin der ersten demokratischen Regierung der DDR betrat sie die politische Bühne, um wenig später eine steile Karriere zu beginnen.

Ziehvater Kohl

Bundeskanzler Helmut Kohl machte sie zur Ministerin für Frauen und Jugend, später übernahm sie das Umweltministerium. Die Zeitungen nannten Angela Merkel "Kohls Mädchen", um deutlich zu machen, dass sie ihre Ämter allein seiner Protektion zu verdanken habe. Nach Kohls Abtritt berief der kurzzeitige Nachfolger im Parteivorsitz Wolfgang Schäuble sie zur Generalsekretärin. Als die Parteispendenaffäre und die Uneinsichtigkeit Helmut Kohls in das eigene Verschulden die Union erschütterten, bat man Angela Merkel als Vorsitzende, den Neuanfang zu versuchen.

Nicht wenige Christdemokraten gingen damals davon aus, dass es ein Leichtes sein werde, die unerfahrene Ostdeutsche nach getaner Aufräumarbeit wieder ins Abseits zu schieben. Vor allem der ehrgeizigen Riege der jungen Ministerpräsidenten und Landesvorsitzenden wurden solche Hintergedanken unterstellt. Doch mit sicherer werdender Hand festigte sie ihre Position an der Spitze der CDU. Sie distanzierte sich als erste klar und deutlich von den Machenschaften Helmut Kohls. Aber sie schaffte schließlich auch die für das innere Gleichgewicht der Union so wichtige Aussöhnung mit dem ehemaligen Parteivorsitzenden.

Traditionen

Angela Merkel, die in zweiter Ehe mit dem Chemieprofessor Joachim Sauer verheiratet ist, bekennt sich zu ihren im evangelischen Elternhaus gewachsenen und unter dem Druck der kommunistischen Diktatur gefestigten christlichen Wurzeln. Europa dürfe nicht ausklammern, dass der Kontinent ganz wesentlich durch die christlich-jüdische Tradition geprägt sei, daraus auch ein großer Teil Europas seine Wurzeln habe. Europa sei in weiten Teilen durch die Aufklärung gegangen. Das ist sei eine ganz wichtige Phase auch in der Entwicklung des Christentums.

Angela Merkel
Am 23.5.2005Bild: dpa

Im Jahr 2002 überließ Angela Merkel dem Vorsitzenden der bayerischen Schwesterpartei CSU, Edmund Stoiber, den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur. Zwar scheiterte Stoiber, doch Angela Merkel kassierte ihren Preis. Sie übernahm neben dem Vorsitz der CDU auch den Vorsitz der gemeinsamen Bundestagsfraktion. Der düpierte Amtsinhaber Friedrich Merz zog sich verärgert zurück. Alle anderen Mitbewerber mussten erkennen, wie selbstbewusst und entschlossen "Kohls Mädchen" handeln kann, wenn es um die Macht geht. Diese Entschlossenheit wird allerdings auch notwendig sein, wenn sie als Kandidatin Erfolg haben und Regierungsverantwortung übernehmen sollte.