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Angelica Domröse ist 75

Bernd Sobolla 4. April 2016

In der DDR wurde Angelica Domröse durch ihre Rolle in die "Legende von Paul und Paula" berühmt. Sie beteiligte sich an den Protesten gegen die Biermann-Ausbürgerung und musste das Land verlassen. Jetzt ist sie 75.

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Angelica Domröse
Bild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel von der Deutschen Filmakademie 2013 gebeten wurde, im Kino ihren Lieblingsfilm vorzustellen, entschied sie sich für Heiner Carows "Die Legende von Paul und Paula" (1973). "Da erinnere ich mich an die leidenschaftlichen Liebesszenen oder wie resolut Paula (Angelica Domröse) mit den Bauarbeitern umgeht", begründete sie ihre Wahl. "In der Kaufhalle hätte man sich eine Kassiererin wie sie gewünscht."


Das Gefühl von Freiheit

Die tragikomische Liebesgeschichte handelt von Paula, einer alleinerziehenden Mutter zweier Kinder in Ost-Berlin, die sich in den Funktionär Paul (Winfried Glatzeder) verliebt. Allerdings ist Paul verheiratet, der Staat erwartet eine tadellose Lebensführung, und Paul fügt sich (zunächst). Paula hingegen ist bereit, für Paul alle bürgerlichen Konventionen zu brechen. Kurz, sie steht für das ultimative Gefühl von Freiheit; mit dieser Protagonistin konnte sich das DDR-Publikum auf Anhieb identifizieren. Über drei Millionen Zuschauer stürmten die Kinos, und Angelica Domröse und Winfried Glatzeder wurden zu Stars.Abgelehnt
Dabei beginnt Angelica Domröses Karriere keineswegs vielversprechend: Sie wird am 4. April 1941 in Berlin-Weißensee geboren, wächst vaterlos in einem Hinterhaus in Berlin-Mitte auf und besucht bereits als Schülerin eine Theatergruppe im "Haus der jungen Talente". Mit 16 Jahren fällt sie durch die Schauspielaufnahmeprüfung an der Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen. Dennoch engagiert Slatan Dudow sie kurz darauf für eine Rolle in "Verwirrung der Liebe" (1959), woraufhin Domröse doch noch an der Filmhochschule angenommen wird. Nach Abschluss des Studiums erhält sie 1961 ein Engagement am Berliner Ensemble, wo sie in verschiedenen Stücken von Bertold Brecht brilliert und 1966 zur "Besten Schauspielerin des Jahres" gewählt wird.

Bühne und Bohème

1967 wechselt Domröse an die Berliner Volksbühne und spielt parallel dazu in Kinoproduktionen der DEFA, dem volkseigenen Filmunternehmen der DDR. Dabei fällt vor allem ihre Vielseitigkeit auf: In "Julia lebt" agiert sie als schwangere Krankenschwester, deren Freund sie verlässt; in "Chronik eines Mordes" spielt sie eine Jüdin, die den Mord an ihren Eltern rächt und in der Fontane-Verfilmung "Effi Briest" (Regie: Wolfgang Luderer) eine vereinsamte Ehefrau, deren Seitensprung sie ins gesellschaftliche Abseits stürzt. Angelica Domröse wird 1971, 1973 und 1975 als "DDR-Fernsehkünstler des Jahres" ausgezeichnet. 1976 heiratet sie den Schauspieler Hilmar Thate, mit dem sie bereits gemeinsam auf der Bühne und vor der Kamera stand. Beide lieben schnelle Autos und das Leben der Bohème.

Das zweite Leben

Nach dem Protest gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann 1976 sorgt das Regime dafür, dass Angelica Domröse und Hilmar Thate kaum noch Rollenangebote erhalten. Das Paar entschließt sich 1980, die DDR zu verlassen. Im Westen angekommen wird Angelika Domröse von Peter Zadek für seine Fallada-Revue "Jeder stirbt für sich allein" in West-Berlin engagiert. Gemeinsam mit ihrem Mann schließt sie sich anschließend dem Ensemble des dortigen Schillertheaters an. Filme dreht Domröse in der Bundesrepublik nur noch selten - und wenn, dann fürs Fernsehen. So steht sie für Frank Beyers Ehedrama "Die zweite Haut" (1981) und Egon Günthers "Hannah von acht bis acht" vor der Kamera. Einen Starauftritt hat sie 1986 in Helmut Dietls Kultserie "Kir Royal", in der sie als erfolgreiche Plattenproduzentin glänzt. Ihr persönliches Leben sieht Anfang der 90er Jahre, als das Schillertheater geschlossen wird, weniger glamourös aus. Der Alkohol dient ihr nicht nur als Requisite.

Zum Abschluss eine Flugzeugentführung

1991, nach der Wende, dreht Domröse noch einmal einen Kinofilm mit ihrem "Entdecker" Heiner Carow, dem für sie wichtigsten Regisseur. In dem Liebesdrama "Die Verfehlung", das zwischen Ost- und Westdeutschland angesiedelt ist, spielt sie eine Putzfrau, die in der Vorwendezeit in einem Dorf in der DDR lebt und sich in einen westdeutschen Hafenarbeiter verliebt. Ansonsten sieht man sie in drei Folgen der Krimiserie "Polizeiruf 110" als Kommissarin Vera Bilewski. In den 90er Jahren inszeniert sie selbst einige Stücke am Schillertheater sowie am Wiener Theater in der Josefstadt, ohne allerdings für große Furore zu sorgen.Zuletzt steht Angelica Domröse 2011 vor der Kamera. In Bernd Böhlichs Komödie "Bis zum Horizont, dann links!" agiert sie an der Seite von Otto Sander und Herbert Feuerstein als attraktive Rentnerin Annegret, die mit ihrer Seniorengruppe auf der Suche nach persönlichen Freiheit ein Flugzeug entführt. Eine Rolle, die perfekt zu ihrem Tatendrang passt.

Von der Fremdheit im eigenen Leben

2003 veröffentlichte die Schauspielerin ihre Autobiografie "Ich fang' mich selbst ein – Mein Leben". Dem Buch stellt sie das Gedicht "Trauriger Tag" von Sarah Kirsch voran, das ihren Seelenzustand beschreibt: eine Mischung aus Energie, Widerstand und Anmut, verbunden mit dem Gefühl der eigenen Fremdheit, in einer Welt, die ihre ist, zu der sie aber auch Distanz verspürt. Das Gedicht stammt von 1973, also aus dem Jahr, in dem auch "Die Legende von Paul und Paula" erschien.

Angelica Domröse und Regisseur Bernd Böhlich
Bernd Böhlichs drehte mit Angelica Domröse die Komödie "Bis zum Horizont, dann links!"Bild: picture-alliance/Pop-Eye/C. Behring
Schauspielerin Angelica Domröse
Angelica Domröse in jungen JahrenBild: picture-alliance/arkivi
Filmstill aus "Die Legende von Paul und Paula"
Filmszene aus "Die Legende von Paul und Paula"Bild: MDR/PROGRESS Film-Verleih/Norbert Kuhröber

Ich bin ein Tiger im Regen
Wasser scheitelt mir das Fell
Tropfen tropfen in die Augen

Ich schlurfe langsam, schleudre die Pfoten
Die Friedrichstraße entlang
Und bin im Regen abgebrannt

Ich hau mich durch Autos bei Rot
Geh ins Café um Magenbitter
Freß die Kapelle und schaukle fort

Ich brülle am Alex den Regen scharf
Das Hochhaus wird naß, verliert seinen Gürtel
(ich knurre: man tut was man kann)

Aber es regnet den siebten Tag
Da bin ich bös bis in die Wimpern

Ich fauche mir die Straße leer
Und setz mich unter ehrliche Möwen

Die sehen alle nach links in die Spree

Und wenn ich gewaltiger Tiger heule
Verstehn sie: ich meine es müßte hier
Noch andere Tiger geben.