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Angespannte Lage in Iran

Peter Philipp13. Januar 2004

Der von konservativen Geistlichen beherrschte Wächterrat in Iran hat mehreren Tausend liberalen Bewerbern eine Kandidatur zur Parlamentswahl untersagt. Die Reformbewegung des Landes ist in Gefahr.

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Der iranische Parlamentssprecher Mehdi Karrubi protestiertBild: AP

Nach der iranischen Verfassung kontrolliert der so genannte "Wächterrat" Gesetze und Kandidaten auf ihre Treue zu den islamischen Prinzipien. Reformorientierte Abgeordnete haben nach der Verlautbarung des Rates am Sonntag (11.1.2004) eine Parlamentssitzung verlassen und Sitzstreiks veranstaltet. Die Proteste im Parlament gingen Anfang der Woche weiter.

Mehrere iranische Regierungsmitglieder haben am Dienstag (13.1.2004) mit Rücktritt gedroht. Auch der außenpolitische Beauftragte der EU, Javier Solana, hat während seines Besuchs in Teheran den Ausschluss liberaler Kandidaten von der Wahl kritisiert. Er versuchte seinen Gastgebern zu vermitteln, dass er es schwer haben werde, solche Maßnahmen in Brüssel und Straßburg zu erklären.

Um den Ausgang der iranischen Parlamentswahlen am 20. Februar 2004 gab es in letzter Zeit viele Spekulationen. Nach Ansicht von Experten dürfte die Anzahl der Wähler drastisch zurückgehen. Zu groß sei ihre Enttäuschung über ausgebliebene Reformen und nicht erfüllte Hoffnungen auf mehr Freiheit, so dass sie sich nicht mehr der Illusion hingäben, mit Wahlen etwas ändern zu können.

Reformer ohne Chance

Demnach dürften die Chancen der Konservativen steigen, eine Mehrheit zu erringen und die Reformer in die Opposition zu schicken. Obwohl die Reformer die überwältigende Mehrheit im Parlament stellen, sind sie regelmäßig am Widerstand der Konservativen gescheitert, deren Machtposition von der Verfassung gesichert ist.

Die Konservativen hätten sich also beruhigt zurücklehnen können, doch einen Monat vor den Wahlen wollten sie anscheinend auf "Nummer Sicher" gehen: Der Wächterrat disqualifizierte 3605 der insgesamt 8157 Bewerber. Selbst die Enkelin des iranischen Revolutionsführers Ayatollah Chomeini ist als Kandidatin für die Wahlen disqualifiziert worden: Sie lebe nicht nach islamischen Vorschriften und sei den Wählern auch nicht bekannt. Letzteres zumindest trifft nicht zu: Die verhinderte Kandidatin ist nämlich die Frau von Reza Chatami, dem Bruder des Staatspräsidenten und stellvertretenden Parlamentspräsidenten.

Auch er wurde vom Wächterrat aus der Kandidatenliste gestrichen, zusammen mit 83 anderen Abgeordneten des 290-köpfigen "Majlis", die dem Parlament seit vier Jahren angehören, nun aber nicht geeignet sein sollen, erneut zu kandidieren. Alles Reformpolitiker und Anhänger von Präsident Mohammed Chatami, der am Dienstag (13.1.) sogar mit seinem Rücktritt gedroht haben soll, sollte der Wächterrat bei seiner Entscheidung bleiben.

Proteste und Rücktrittsdrohungen

Ebenfalls wenig zurückhaltend reagierten einige Reform-Abgeordnete. Sie hielten einen Protest-Sitzstreik ab, der Innenminister will die Disqualifizierung aufheben und sämtliche Provinz-Gouverneure haben ebenfalls mit Rücktritt gedroht. Das Klima verschlechtert sich zusehends. Selbst der "Oberste Führer", Ayatollah Ali Chamenei, scheint zu spüren, dass dies nicht gut ist.

Bisher ist er aber nicht bereit, die Konservativen zurückzurufen: Zunächst müsse der "Rechtsweg erschöpft" sein. Die Disqualifizierten haben ein Einspruchsrecht und der Wächterrat könnte seine Meinung noch ändern. Der hat am Montag in der Tat ein Einlenken angedeutet. Ein Sprecher des Wächterrates sagte, man sei bereit, die Streichung zu überprüfen.