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Angst vor Seuchen wächst

6. September 2005

In New Orleans gehen die Wassermassen erstmals zurück. Der Bürgermeister rechnet allein in der Stadt mit 10.000 Toten und warnt vor Seuchen.

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Ein Damm wird repariertBild: AP
Hurrikan Katrina, geflutete Canal Street in New Orleans
Trügerische Idylle: Die Canal Street in New OrleansBild: AP

In einigen Stadtteilen von New Orleans sanken die Wasserpegel am Montagabend (5.9.2005) erstmals seit dem verheerenden Hurrikan um mehr als 30 Zentimeter. Spezialisten gelang es, einen auf knapp 100 Meter gebrochenen Damm in New Orleans direkt am Pontchartrain-See zu reparieren. Sie warfen dort riesige Sandsäcke ab. Gleichzeitig wurde Wasser aus einem Kanal in den See Ponchartrain zurückgepumpt. Nach dem Dammbruch standen 80 Prozent der Stadt bis zu sechs Meter tief unter Wasser.

Hurrikan Katrina Zerstörung, zwei Autos auf Hausdächern
Zerstörungen in New OrleansBild: AP

Das US-Zentrum für Krankheitskontrolle CDC teilte nach Informationen der "Los Angeles Times" am Montag mit, einige der Flüchtlinge hätten sich mit dem gefährlichen Bakterium "vibrio vulnificus" infiziert - einem entfernten, weniger tödlichen Verwandten des Cholera-Erregers. Bei Personen, deren Immunsystem gestört ist, kann eine Infektion zum Tode führen. Wie der Nachrichtensender CNN berichtete, gibt es im Pentagon Überlegungen, die überfluteten Gebiete von großen Transportmaschinen aus mit Insektiziden zu besprühen. Damit solle die Vermehrung der Mücken gestoppt werden, die unter anderem den West-Nil-Virus verbreiten, der Hirnhautentzündung auslösen kann.

Viele wollen bleiben

Hurrikan Katrina eine Wasserleiche liegt im Wasser in Canal Street außerhalb new Orleans
Ein Toter in der überfluteten Canal StreetBild: AP

Leichen verwesten in dem Wasser, Mücken brüteten in der überfluteten Region und verbreiteten neue Krankheiten, warnte der Bürgermeister von New Orleans, Ray Nagin. Je mehr Zeit vergehe, desto schlimmer werde es. Er erklärte, es könne drei Monate dauern, bis etwa das verunreinigte Wasser aus der Stadt gepumpt sei. Daher würden die Bürger ihre Gesundheit gefährden, wenn sie in der Stadt blieben. Nagin schätzt, dass allein in New Orleans etwa 10.000 Menschen ums Leben kamen. Allerdings habe er noch keine Vorstellung von einer exakten Zahl.

Trotz der Warnungen widersetzten sich zahlreiche Menschen in New Orleans der neuerlichen Anordnung zur Evakuierung. "Wir haben ihnen gesagt, dass die Stadt zerstört ist", sagte der stellvertretende Polizeichef W.J. Riley. "Es gibt hier keinen Grund zu bleiben, keine Lebensmittel, keine Arbeitsplätze, einfach nichts." Riley schätzte, dass sich noch bis zu 10.000 Menschen in New Orleans aufhalten.

Weitere Hilfsmaßnahmen

In der zu New Orleans zählenden Gemeinde Jefferson Parish entstand am Montag ein Verkehrschaos, als tausende Bewohner für Stunden zurückkehrten, um ihre Häuser in Augenschein zu nehmen und Habseligkeiten abzuholen. Fassungslos betrachteten die Rückkehrer in einem Vorort die Schäden: Umgeknickte Straßenschilder, entwurzelte Bäume, die Häuser voll Schlamm und die Einrichtung zerstört.

Vize-Polizeichef Warren Riley kündigte an, die Polizei werde niemanden mehr in die Stadt zurückkehren lassen.

Hurrikan Katarina in New Orleans Grab
Erst ein kleiner Teil der Toten konnte beerdigt werdenBild: AP

Die US-Regierung bereitete sich derweil auf weitere Hilfsmaßnahmen vor. Die Kongressabgeordneten wollten im Laufe des Dienstags nach Washington zurückkehren, um über weitere Unterstützung für die Flutopfer zu beraten. Von Seiten der Streitkräfte verlautete, die Zahl der eingesetzten Soldaten werde von 7.200 noch einmal auf 8.500 aufgestockt. So würden die meisten der aus dem Irak heimkehrenden 2.800 Nationalgardisten aus Louisiana im Überschwemmungsgebiet eingesetzt.

Forderung nach Marshall-Plan

Die Gouverneurin von Louisiana, Kathleen Blanco, sagte vor Journalisten, sie stelle sich vor, dass die Bürger ihres Bundesstaates "in einer Art Marshall-Plan" die Region wieder aufbauten. "Wir werden unseren Staat wieder zusammensetzen." Blanco äußerte sich nach dem Chaos der vergangenen Tage zuversichtlich: Es seien nun alle Elemente vorhanden, um die Aufräumarbeiten anzugehen.

Ungeachtet eines zweiten Besuchs von US-Präsident George W. Bush im Katastrophengebiet dauerte die Kritik am Krisenmanagement der Regierung an. Die größte Zeitung im US-Staat Louisiana, die "Times-Picayune", druckte einen offenen Brief an Bush, in dem der Präsident aufgefordert wird, alle Beamten des Katastrophenschutzes (FEMA) zu entlassen. Auch UN-Generalsekretär Kofi Annan sagte im BBC-Rundfunk, er teile die "Ungläubigkeit" vieler Menschen über das tagelange Chaos nach dem Beginn der Katastrophe: "Es war ein riesiges Desaster. Ich glaube nicht, dass man zu Beginn das Ausmaß der Schäden und der Katastrophe erkannt hat." (stu)