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Anpassung an die Realität

Nina Werkhäuser21. Mai 2003

Die Bundeswehr operiert in globalem Maßstab, und es werden weitere Anforderungen an sie gestellt werden. Die neuen Richtlinien sind insofern überfällig. Aber das Konzept ist noch nicht zu Ende gedacht.

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Die Bundeswehr ist schon lange keine Armee mehr, die in Kasernen vor sich hindämmert und gelegentlich zur Übung mit Panzern durch die norddeutsche Tiefebene donnert. Die Einsätze in internationalen Friedenstruppen sind zum Alltag geworden, und diese vor einem Jahrzehnt noch unvorstellbare Aufgabe meistern die deutschen Soldaten gut. Jetzt passt sich die Theorie also der Praxis an: Die verteidigungspolitischen Richtlinien sind umgeschrieben worden, denn die Landesverteidigung ist nicht mehr alleine sinnstiftend für die Existenz der Bundeswehr.

Diese Anpassung war überfällig. Und da im Grundgesetz steht, dass die Verteidigung - und nur sie! - die Aufgabe der Bundeswehr ist, musste der Begriff der Verteidigung ausgedehnt werden - geografisch und inhaltlich. "Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt", dieser Satz von Verteidigungsminister Peter Struck beschreibt den Kern der neuen Richtlinien.

Dieser breitere Begriff der Verteidigung ist die Antwort auf globale Bedrohungen wie den Terrorismus und auf Kriege vor der Haustür, etwa auf dem Balkan, die auch die Sicherheit in Deutschland gefährden könnten. Er ist auch die Antwort auf die wachsende Bereitschaft Deutschlands, international Verantwortung in sicherheitspolitischen Fragen zu übernehmen. Die Bundeswehr ist längst zum Instrument der deutschen Außenpolitik geworden, diesen Schritt vollziehen die verteidigungspolitischen Richtlinien nunmehr nach.

Aber nicht alles in dem neuen Konzept passt zusammen: Einerseits wird die Bundeswehr zur Armee im Auslandseinsatz umgebaut, die die modernste Ausrüstung braucht und immer mehr Spezialisten, am besten mit Erfahrung in internationalen Missionen. Dafür aber fehlt zumindest teilweise das Geld. Panzer einmal kaufen und dann 30 Jahre lang fahren so wie früher, das geht bei einer Armee mit 9.000 Soldaten im Einsatz nicht mehr. Und so sind die vielen Stillegungen und Standortschließungen ein Versuch, die Finanznot einigermaßen in den Griff zu bekommen. Denn in internationalen Einsätzen fällt auch auf, was die Bundeswehr alles nicht kann. Die halbleeren Kassen stehen dem Konzept einer Armee im Auslandseinsatz gelegentlich entgegen.

Und dann ist da noch die Wehrpflicht, an der Verteidigungsminister Peter Struck festhält, obwohl die Bundeswehr die unerfahrenen Rekruten in Auslandseinsätzen nicht gebrauchen kann. Die neuen Richtlinien sprechen inhaltlich eher für eine Berufsarmee, aber das zählt in diesem Fall dann wohl doch nicht. Die Entscheidung für die Wehrpflicht sei eine politische, sagt Struck, und auf das Budget schaut er dabei auch, denn eine Berufsarmee wäre teurer. Und so holt der Minister in den neuen verteidigungspolitischen Richtlinien inhaltlich zwar das nach, was bereits Realität ist, aber er geht nicht so weit, die Struktur der Bundeswehr grundlegend zu überdenken.