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Ansbach-Täter per Chat-Kontakt gesteuert?

27. Juli 2016

Wie in einem Puzzle kommen immer mehr Einzelinformationen über Tat und Täter von Ansbach ans Tageslicht: Von einem Chat-Partner vor dem Anschlag ist die Rede, aber auch von der hohen Selbstmordgefahr bei dem Syrer.

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Ermittlungen von Beamten am Tatort in Ansbach (Foto: picture-alliance/dpa/D. Karmann)
Bild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

Der Attentäter von Ansbach bekam vor dem Bombenanschlag offensichtlich Anweisungen: Auf einem Handy des 27-Jährigen entdeckten die Ermittler Hinweise darauf, dass er von einer unbekannten Person in einem Chat direkt beeinflusst wurde. "Es hat offensichtlich einen unmittelbaren Kontakt mit jemandem gegeben, der maßgeblich auf dieses Attentatsgeschehen Einfluss genommen hat", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann am Rande einer Kabinettsklausur am Tegernsee. Der "intensive Chat" endete nach Angaben des CSU-Politikers "unmittelbar wohl vor dem Attentat".

Täter hatte Rolle von 50-Euro-Scheinen dabei

Herrmann betonte, man wisse noch nicht, wo sich der Chat-Partner des Mannes aufgehalten habe, im Inland oder im Ausland. Und man wisse auch noch nicht, wie lange der Chat-Kontakt bereits bestanden habe - ob das Wochen oder Monate zurückreiche oder gar noch länger, "noch bevor der Täter überhaupt nach Deutschland gekommen ist". Auf Nachfragen, ob es sich um einen Kontakt zur Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) gehandelt haben könnte oder ob der Attentäter möglicherweise sogar ganz gezielt nach Deutschland eingeschleust worden sei, konnte Herrmann nichts sagen. Dies sei Gegenstand der Ermittlungen.

Der Innenminister von Bayern, Joachim Herrmann (Foto: picture-alliance/dpa/D. Karmann)
Bayerns Innenminister Joachim HerrmannBild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

Der Innenminister bestätigte, dass bei dem 27-Jährigen eine Rolle von 50-Euro-Scheinen gefunden worden sei: "Woher das Geld kommt, können wir heute natürlich noch nicht sagen." Hermann fügte aber hinzu: "Wenn man diese Geldbeträge in bar gesehen hat, dann ist es unwahrscheinlich, dass das allein aus dem, was ein Asylbewerber in Deutschland als Taschengeld bekommt, bezahlt werden kann." Zur Begründung verwies er auf die Kosten für die Materialien zum Bombenbau. Um wie viel Geld es sich handelte, konnte Herrmann aber nicht sagen.

Der Täter von Ansbach war ein Flüchtling aus Syrien, der bei der von ihm ausgelösten Explosion getötet wurde. Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen und prüft, ob er Mitglied in der Terrormiliz IS war. Nach Erkenntnissen der Behörden legt dies ein Bekennervideo auf dem Handy des Mannes nahe. Bei der Explosion am Rande eines Musikfestes wurden am Sonntagabend 15 Menschen verletzt.

"Ein extremer Geist"

Inzwischen wurde auch bekannt, dass ein psychologischer Gutachter bei dem Syrer bereits Anfang 2015 einen aufsehenerregenden Suizid für möglich gehalten habe. Der Mann sei ein "extremer Geist", und es sei ihm "durchaus zuzutrauen, dass er selbst seinen Selbstmord noch spektakulär in Szene setzt", heißt es in einer Stellungnahme des Therapeuten, die für das Asyl-Gerichtsverfahren des späteren Attentäters erstellt wurde. Ein Sprecher des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg bestätigte diesen Inhalt des Gutachtens, über das zuerst die "Bild"-Zeitung berichtet hatte.

Weiter heißt es in der Stellungnahme: "Er hat nach dem Tod seiner Frau und seines sechs Monate alten Sohnes nichts mehr zu verlieren." Der Syrer war wegen Depressionen und Suizidversuchen in psychiatrischer Behandlung. Seinen Asylantrag in Deutschland hatte das BAMF im Dezember 2014 abgelehnt, weil er bereits in Bulgarien einen Schutzstatus erhalten hatte. Das BAMF ordnete daher die Abschiebung des Mannes nach Bulgarien an. Dagegen klagte der Syrer vor dem Verwaltungsgericht Ansbach. Im Rahmen des Gerichtsverfahrens im Februar 2015 wurde laut dem BAMF-Sprecher das Gutachten eingereicht. "Aufgrund der durch neu eingereichte Atteste nachgewiesenen Reiseunfähigkeit hat das BAMF die ausgesprochene Abschiebeanordnung zurückgenommen", teilte der Sprecher mit. Das Verfahren wurde eingestellt und die Ausländerbehörde sprach dem Mann eine Duldung aus.

Im März 2016 bat die Ausländerbehörde das BAMF dann, eine Abschiebung des Mannes nach Bulgarien nochmals zu prüfen. Nachdem sich der Syrer dazu nicht mehr geäußert hatte, forderte ihn das Bundesamt in diesem Monat erneut zur Ausreise aus und drohte ihm mit der Abschiebung nach Bulgarien, falls er nicht freiwillig geht.

sti/uh (afp, dpa)