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Anstrengender Ramadan!

19. August 2010

Im Fastenmonat Ramadan ticken in Marokko die Uhren anders - die Menschen auch. Da kann das Leben für nicht-fastende Beobachter schon mal zur Herausforderung werden. Eine Glosse von DW-Korrespondent Alexander Göbel.

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Betende Marokkaner in Casablanca (Foto: dpa)
Betende Marokkaner in CasablancaBild: picture-alliance/ dpa

Mit dem Krach kurz vor fünf Uhr morgens fängt es an. Mit Trommeln gehen Jugendliche durch die Straßen und wecken die Gläubigen zum Gebet. Zumindest die, die noch nicht vom Gesang des Muezzin wach sind. Ich stehe senkrecht im Bett... Es ist Ramadan. Ich hab's wirklich versucht – aber mit dem Fasten wird das bei mir nichts. Und deshalb werde ich als nicht-fastender Europäer im Ramadan zu einer Art Robinson Crusoe. Zu einem griesgrämigen Außenseiter, einem brummigen Alien, der zwar von der Tradition des Fastenmonats völlig fasziniert ist, sich aber nur schwer damit abfindet, dass um ihn herum alles ziemlich anders läuft. Denn im Ramadan wird für den Alien sogar der Alltag zu Mut- und Geduldsprobe.

Westafrika-Korrespondent Alexander Göbel
Westafrika-Korrespondent Alexander GöbelBild: DW/Christel Becker-Rau

Kaffeekochen zum Beispiel. Ich schließe vorher die Küchenfenster, um zu vermeiden, dass der betörende Kaffeeduft fastenden Nachbarn die Sinne raubt. Sehr spannend auch: Joggen im Park mit Wasserflasche. So mancher darbende, fastende Mitjogger fühlt sich dadurch provoziert und macht mir eindeutig klar, die Flasche müsse sofort im Auto verschwinden.

Ich verschwinde gleich mit und flüchte an den Strand – den habe ich im Ramadan für mich allein. Aber Schwimmen nur auf eigene Gefahr, sagt ein Life Guard. Retten werde er mich im Notfall jedenfalls nicht, es könnte ja sein, dass er dabei Wasser schlucken muss. Und das ist im Ramadan eben verboten. Höchst irritiert geht es weiter zum Supermarkt, wo es an der Kasse schon mal zu Rangeleien kommt. Kein Wunder – gefastet wird eben bei über 40 Grad im Schatten. Viele Leute sind genervt, sie haben Durst und Hunger, bei den Rauchern kommen noch die Entzugserscheinungen dazu. Also nichts wie weg. Aber Vorsicht – im Straßenverkehr geht es genauso, wenn nicht noch viel aggressiver zur Sache. Zu Hause angekommen werde ich dann aus der Nachbarwohnung stundenlang mit lautem Gehämmer und Gebohre beschallt - viele Marokkaner werden im Ramadan zu Hobby-Handwerkern, um sich vom Fasten abzulenken.

Um Punkt 19.30 Uhr dann die Erlösung. Es ertönt ein Kanonenschlag – das Fasten ist gebrochen. Das versöhnliche Ende eines langen Tages. Stille. Als wäre nichts gewesen. Rabat ist ins goldene Licht der Dämmerung getaucht, aus den Häusern duftet es nach Harira, der typischen Ramadan-Suppe, nach Honiggebäck, nach Datteln und nach Tee.... und dann bin ich wieder versöhnt. Und versuche ein paar Stunden nicht daran zu denken, dass es morgen früh wieder von vorne losgeht... um kurz vor fünf.

Autor: Alexander Göbel

Redaktion: Katrin Ogunsade