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Antarktische Aufholjagd

Frank Sieren10. März 2014

Chinesische Wissenschaftler werden am Südpol immer aktiver. Sie wollen mit anderen Staaten gleichziehen, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Weite in der Antarktis bei der Neumayer-Station
Bild: B. Fiedel

Nun hat am Südpol also bereits die vierte Forschungsstation der Chinesen ihren Dienst aufgenommen. Viel war darüber in den letzten Wochen zu lesen. Zum Beispiel, dass sie Taishan heißt, also nach einem heiligen Berg benannt ist. Oder, dass sie 20 Wissenschaftlern Platz bietet. Und sogar die fünfte Station sei schon in Planung. Doch auch ein weiterer Hinweis fehlte in den meisten Artikeln nicht: Den Chinesen gehe es am Südpol nicht ausschließlich um Forschung, sondern sie hätten es auch auf Bodenschätze abgesehen, die dort unter dem noch kilometerdicken Eis vermutet werden.

Internationale Aktivitäten

Da sind sie in guter Gesellschaft. Mit ihrer ersten Basis, die sie bereits vor 30 Jahren in Betrieb nahmen, traten sie sogar relativ spät in den Kreis der in der Antarktis aktiven Staaten ein. Denn bereits 1959 unterschrieben zwölf Länder, darunter Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA, den Antarktisvertrag. Darin vereinbarten sie, dass niemand Bodenschätze abbauen und kein Land territoriale Ansprüche auf die Eiskappe erheben darf. Auch die Chinesen traten 1983 bei. Inzwischen sind rund 30 Länder im ewigen Eis aktiv. Besonders stark das nahegelegene Argentinien, aber auch Russland und Australien. Sie verfügen über mindestens vier eigene Stationen.

Frank Sieren (Foto: DW)
China braucht mehr Rohstoffe als jede andere Nation der Welt, sagt Frank SierenBild: Frank Sieren

Doch mit dem Eis könnte auch der Wille zur Zurückhaltung schmelzen. Als der Vertrag damals unterschrieben wurde, wusste die Welt nicht viel mit dieser unwirtlichen Eiswüste, deren Fläche ungefähr so groß ist wie Europa, anzufangen. Doch seit einiger Zeit ändert sich das. Das Eis schmilzt, wenn bisher auch nur langsam. Nun könnten die gewaltigen Rohstoffvorkommen unter dem viele Meter dicken Eis doch noch interessant werden. Unter anderem werden dort Öl, Gas aber auch Kupfer und sogar Gold vermutet. Und inzwischen ist die Bohr- und Fördertechnik viel besser geworden.

Der Antarktisvertrag untersagt den Abbau von Rohstoffen bis 2041. Aber womöglich wird man sich früher an den Verhandlungstisch setzen, um über die Zukunft der Region südlich des 60. Breitengrads zu verhandeln. Und für diesen Fall möchte Peking definitiv in Augenhöhe am Verhandlungstisch sitzen.

Begehrte Rohstoffe

Natürlich kann man allen beteiligten Nationen nur raten: Wenn es geht, lasst die Antarktis zum Wohle der Umwelt in Frieden. Denn würden neben Forschungsstationen auch Förderanlagen errichtet, wären die Folgen für das empfindliche Ökosystem des bislang fast unberührten Kontinents nicht abzusehen. Anderseits lässt sich schwer vorhersagen, wie die Versorgungslage der Welt in 30 Jahren aussieht. Womöglich brauchen wir das Öl oder Gas, das dort unter dem Eis verborgen liegt dann dringender denn je. Oder im Gegenteil vielleicht gar nicht mehr, weil wir uns ausreichend mit regenerativen Energien versorgen können? Und womöglich ist sogar das Süßwasser, das im ewigen Eis gespeichert ist, bis dahin längst der begehrteste Rohstoff für einige Nationen? Das Wasser könnte dann vor allem China interessieren.

Fest steht auf jeden Fall: Das bevölkerungsreichste Land braucht mehr Rohstoffe als jede andere Nation der Welt. In Afrika sichert sich Peking schon seit Jahren Rohstoffe im Austausch gegen Infrastruktur. Und auch im Nahen Osten wird das Land künftig immer aktiver werden müssen. Selbst den jüngsten Flug zum Mond begründete Peking damit, dass man prüfen wolle, ob sich auf dem Erdtrabanten seltene Metalle oder Gase gewinnen lassen. Die entscheidende Frage lautet: Wird Chinas Hunger auf Ressourcen eines Tages so groß, dass Peking glaubt, den Antarktisvertrag brechen zu müssen und einen Konflikt mit dem Ausland zu riskieren? Gegenwärtig ist das sehr unwahrscheinlich. Unvorstellbar ist es allerdings nicht.

Unser Korrespondent Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.