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Antiterrorkampf höhlt Menschenrechte aus

Sabine Ripperger23. Mai 2006

Der weltweite Kampf gegen den Terrorismus geht immer mehr zu Lasten der Menschenrechte. Zu diesem Schluss kommt die weltweit größte Menschenrechtsorganisation Amnesty International in ihrem Jahresbericht.

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Gefängnis in Guantanamo: Sofort schließen, sagt AmnestyBild: dpa

Im Jahresbericht 2006 der Organisation, der am Dienstag (23.5.2006) vorgestellt wurde, wird die Menschenrechtssituation in mehr als 140 Ländern beleuchtet. Verglichen mit dem Vorjahr seien einige positive Tendenzen festzustellen. So habe es im vergangenen Jahr auf Seiten der internationalen Organisationen, aber auch der USA Veränderungen im Antiterrorkampf gegeben, sagt die Präsidentin der deutschen Sektion von Amnesty International, Barbara Lochbihler im Gespräch mit der Deutschen Welle.

So habe die Regierung von US-Präsident George W. Bush ein Gesetz erlassen, das Folter durch US-Beamte verbietet, auch im Ausland. "Da gab es heftigsten internen Widerstand, wir bewerten das als eine kleine Trendwende. Wir wissen, dass andere Organisationen wie die Vereinten Nationen, aber auch der Europarat und in den USA führende Politiker und Personen des öffentlichen Lebens, sich für die Schließung von Guantánamo ausgesprochen haben", sagt Lochbihler. Im Vergleich zu früher stehe damit Amnesty International nicht alleine da mit ihrer Forderung, Menschenrechte im Antiterrorkampf nicht zu relativieren.

Verschleppungen über europäischem Boden

Gleichzeitig kritisiert Amnesty International, dass es nach wie vor im Antiterrorkampf zu schweren Menschenrechtsverletzungen komme und die Verschleppung von Gefangenen durch Geheimdienste auch über europäischem Territorium stattgefunden habe. Die Organisation fordert deshalb, dass die europäischen Regierungen Maßnahmen zur Aufklärung ergreifen.

Im Namen des Antiterrorkampfes würde in Europa auch versucht, gesicherte Menschenrechtsstandards außer Kraft zu setzen, betont die Chefin von Amnesty Deutschland, Lochbihler. Zum Beispiel habe Großbritannien diplomatische Abkommen geschlossen mit Staaten wie Ägypten, Libanon und Jordanien, Terrorverdächtige wieder abschieben zu können, obwohl ihnen dort in diesen Ländern Folter droht. "Diese Zusicherung soll dann gewährleisten, dass im Einzelfall nicht gefoltert wird. Das ist eine ziemliche Verschlechterung. Positiv ist zu werten, dass europäische Gremien entschieden haben, nicht an Ausformulierungen solcher diplomatischen Zusicherungen zu arbeiten. Aber da ist wirklich Aufmerksamkeit von uns in Europa gefordert", so Lochbihler.

Konfliktherde: DR Kongo, Kolumbien, Nepal

Vor allem dort, wo Bürgerkrieg oder Besatzung herrschen oder die Staatsmacht zerfällt, komme es zu schwersten Menschenrechtsverletzungen. Die Chefin von Amnesty Deutschland erinnerte in diesem Zusammenhang an den Ostkongo oder den über 30 Jahre andauernden Bürgerkrieg in Kolumbien. Die von der EU geplante Militärintervention zum Schutz der Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo lehnt die Organisation ab. Das Problem, dass in diesem Land monatlich rund 31.000 Menschen an Kriegsfolgen wie Hunger, Armut und Vertreibung sterben, lasse sich nicht durch einen "punktuellen Einsatz" europäischer Soldaten lösen.

Nepal ist laut Bericht 2006 das Land mit den meisten verschwundenen Personen. Auch ein früherer Amnesty-Mitarbeiter sei verhaftet worden, weil er sich gegen die königliche Politik eingesetzt hatte. Durch internationale Solidarität ist er inzwischen freigekommen. Darüber sei Amnesty froh und vor allem auch darüber, dass die Demonstrationen in Nepal etwas bewirkt haben, und es jetzt seit jüngstem wieder ein Parlament gibt.

Mehr Kriegsverbrecher vor Gericht

Positiv zu werten ist nach den Worten der Chefin von Amnesty Deutschland, dass immer mehr Regierungsvertreter, die schwerste Menschenrechts- und Kriegsverletzungen begangen haben, sich vor Gericht verantworten müssen. "Man denke nur an Charles Taylor aus Liberia - einer der schlimmsten Regierungschefs, verantwortlich für schwere Menschenrechtsverletzungen -, der jetzt von Nigeria aus an den Sondergerichtshof nach Sierra Leone ausgeliefert worden ist - ein positiver Schritt."

Im Berichtszeitraum 2005 ist viel über den neuen Menschenrechtsrat bei den Vereinten Nationen diskutiert worden. Dieser sei besonders seitens der USA attackiert worden, aber auch von Staaten, die kein objektives Interesse daran hatten, dass es hier zu einer objektiven Menschenrechtsdiskussion kommt, bemerkt Lochbihler. Jetzt habe man schließlich den Menschenrechtsrat mit 47 Mitgliedern. Das sei erst einmal positiv zu bewerten, so die Chefin von Amnesty Deutschland, auch wenn noch völlig offen sei, wie der Arbeitsrahmen aussehe.

Erfreut zeigte sich die Lochbihler darüber, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem jüngsten China-Besuch die Menschenrechte angesprochen hat: "Denken Sie daran, welche Auswirkungen das hat auf die chinesische Bevölkerung, auf die Menschenrechtsaktivisten vor Ort, wenn auf höchster Ebene das eingefordert wird", sagt Lochbihler.