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Antreten zur Wahl

Stefanie Suren22. September 2002

Landminen, Schusswechsel und ein Raketenangriff. Die deutschen Soldaten der ISAF-Schutztruppe kämpfen in Afghanistan mit vielen Schwierigkeiten. Und nebenbei haben sie auch noch ihre Stimmen zur Bundestagswahl abgegeben.

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Wahlzettel in der Post?Bild: AP

Neben Waffen, Munition und Baumaterial brachten die Flugzeuge der Bundeswehr in den vergangenen Wochen noch eine weitere wertvolle Fracht nach Afghanistan: Wahlzettel für die 1200 deutschen Soldaten der Internationalen Schutztruppe ISAF. 5500 Kilometer sind es vom Militärflughafen in Köln bis nach Kabul, nur zweieinhalb Stunden Zeitunterschied. Doch es ist eine ganz andere Welt in der die gelben Plastikkisten der deutschen Post wie Fremdkörper wirken.

Deutsche Soldaten in Kabul
Bild: AP

Vom International Airport in Kabul ruckelt die Feldpost auf LKWs über staubige Straßen der Zeltstadt Camp Warehouse entgegen. Vorbei an Nomadenzelten vor denen bärtige Männer auf bunten geknüpften Teppichen im Schatten sitzen. Dann durch Kabul. Enge Gassen, rechts und links niedrige Lehmhäuser. "Morgens kommen uns oft winkende Schulkinder entgegen", erzählt Oberstleutnant Paul Georg Weber im Gespräch mit DW-WORLD. "Jetzt sind da ja auch Mädchen dabei". Die ersten kleinen Geschäfte haben geöffnet. Frauen - ganz in die Burka verhüllt - feilschen um die wenigen Waren. Den LKWs der ISAF Truppen schenken sie keinen Blick mehr. Alles Gewöhnungssache. Die Soldaten gehören in Kabul schon zum Stadtbild.

Die Qual der Wahl

Briefwahl
Bild: AP

Im Camp Warehouse leben Soldaten aus 18 Nationen beieinander. Die Zelte stehen dicht an dicht. In einem dieser großen grünen Behelfshäuschen werden die Briefe aus Deutschland nach Kompanien sortiert, dann holen die Postbeauftragten sie ab. Morgens 7:30 Uhr: Die zwanzig Mann der Rettungskompanie treten zum Dienst an. Sie stehen stramm vor den Zelten, Waffe und Munition am Gürtel. "Jeder Soldat trägt hier immer eine Waffe bei sich", erzählt Weber. "Auch im Lager. Es ist sonst einfach nicht sicher." Der Kompaniefeldwebel verteilt die Post. Jetzt haben die Soldaten die Qual der Wahl.

Wenn nicht an jeder Straßenlaterne Wahlplakate hängen und einem schon morgens am Kiosk die wichtigsten Schlagzeilen ins Auge springen, ist es vielleicht schwerer sich vor der Wahl richtig zu informieren. "Wir bekommen zwar Tageszeitungen, aber mit zeitlichem Verzug", erzählt Oberstleutnant Weber. "Die werden dann in den Betreuungszentren ausgelegt." Die größten Freizeiteinrichtungen für die Soldaten heißen wie deutsche Bowlingbahnen: Fun Factory und Drop Zone. Dort gibt es Campingstühle und Tische auf denen man abends nach dem Dienst noch Karten spielen kann und einen Tresen für Kaffee oder ein Bierchen. In der Fun Factory gibt es sogar ein Kino und Fitnessräume.

Schlafen statt Fernsehduell

Fernsehduell Schröder und Stoiber
Bild: AP

"Und einen Fernseher", erzählt Weber. "Aber von den Fernsehduellen haben wir nicht viel gesehen. Wenn die anfangen ist es bei uns Zeit, um ins Bett zu gehen", erklärt er. "14 Stunden Dienst in Staub und Hitze schaffen einen." Doch da gibt es ja noch Radio Andernach, den Soldatensender, dem man noch im Bett lauschen kann. Über Kopfhörer, damit man seine sechs Zeltbewohner nicht stört. Radio Andernach übernimmt zum Beispiel auch Sendungen der Deutschen Welle. "Nur neutrale Berichterstattung, keine Wahlwerbung." sagt Weber. Außerdem können die Soldaten sich auch in der Fun Factory ins Internet einloggen und sich letzte Infos zur Wahl holen.

"Wir alle verfolgen die Wahl mit Spannung, genau wie in Deutschland auch", sagt Weber. Inzwischen haben alle Soldaten längst ihre Wahlzettel in die hölzernen Briefkästen plumpsen lassen, die im Camp verteilt stehen. Denn die Post braucht mindestens eine Woche bis nach Deutschland. Und am Wahlabend wird dann sogar der Zapfenstreich verschoben. "Normalerweise schließt die Fun Factory um 22 Uhr", sagt Weber. "Aber am Sonntag wird länger geöffnet sein, damit jeder, der möchte vor dem Fernseher mitfiebern kann."