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Arafat gewinnt, wenn Abbas verliert

Peter Philipp28. August 2003

Der palästinensische Ministerpräsident Abbas ist bald 100 Tage im Amt - und Jassir Arafat ist immer noch für Überraschungen gut. Jüngster Coup: eine pikante Personalentscheidung. Peter Philipp über Arafat und die Macht.

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Arafat gibt nicht klein bei - und arbeitet gegen AbbasBild: ap

Palästinensische Sicherheitskräfte unter dem Befehl von Innenminister Mohammed Dachlan hatten gerade medienwirksam einen Tunnel versiegelt, durch den palästinensische Extremisten Waffen aus Ägypten in den Gazastreifen geschafft hatten, da erreichte den zweiten Mann im Kabinett von Palästinenser-Premier Mahmud Abbas eine nicht eben schmeichelhafte Nachricht aus Ramallah.

Die Nachricht vergegenwärtigte ihm, dass der Gegner nicht nur im Untergrund tätig ist: Palästinser-Präsident Jassir Arafat hat Dschibril Radschub, einen alten Konkurrenten Dachlans, zum Chef der meisten palästinensischen Sicherheitsorgane ernannt. Radschub soll künftig drei Viertel der zwölf verschiedenen Organisationen befehligen, während Dachlan nur drei kontrolliert.

Arafat im Aufwind

Ein schwerer Schlag für Dachlan, der - zusammen mit Premier Abbas - von vielen als möglicher Nachfolger Jassir Arafats angesehen worden war. Nicht Radschub aber ist die "Gefahr" für die beiden, sondern Arafat selbst. Der Präsident ohne Staat war in den letzten zwei Jahren konsequent von Israelis und Amerikanern isoliert worden, so dass er sich Ende letzten Jahres schweren Herzens entschloss, ausländischem Druck nachzugeben.

Er ernannte Abbas zum Ministerpräsidenten, der künftig die Verhandlungen mit Israel und den USA führen sollte. Heute bereut Arafat diese Ernennung als einen seiner "schlimmsten Fehler" - wie er kürzlich Vertrauten versicherte. Und so überwand er seine Abneigung gegenüber Radschub, ernannte ihn zum Sicherheitschef und machte sich daran, verlorenes Terrain zurückzugewinnen.

Was tun die USA?

Indirekt ermuntert dazu wurde Arafat aus einer unerwarteten Ecke: Nach dem jüngsten schweren Terroranschlag auf einen Linienbus in Jerusalem hatte US-Außenminister Colin Powell an Arafat appelliert, nun alles zu unternehmen, um die radikalen palästinensischen Gruppen zu stoppen. Nicht nur in Arafats weitgehend zerstörtem Hauptquartier in Ramallah horchte man auf.

Sollte Washington eine Kehrtwende machen und sich dem alternden PLO-Führer, den die USA doch in den vergangenen Monaten als Gesprächspartner abgelehnt hatten, wieder zuwenden? Bisher gibt es für einen Kurswechsel Washingtons keine konkreten Hinweise. Die Bemerkung Powells war aber sicher kein Versprecher, sondern vielleicht eine Art Versuchsballon - um zu testen, ob man mit Arafat nicht vielleicht doch mehr erreichen kann als mit Abbas.

Sinkender Stern - aufsteigender Stern

Mahmud Abbas hat sich als glückloser Premier erwiesen. Schuld daran sind einmal die Israelis, die ihm nicht ausreichend entgegen gekommen sind, damit er vor der eigenen Bevölkerung Erfolge hätte aufweisen können. Und die ihre gezielten Ermordungen palästinensischer Extremisten fortsetzten. Schuld sind natürlich auch die radikalen Palästinensergruppen "Hamas" und "Islamischer Dschihad", die die eigene Waffenruhe immer wieder verletzten. Schuld war aber sicher am meisten Arafat, der unablässig im Hintergrund gegen Abbas intrigierte.

Für Arafat hat sich das ausgezahlt: Sowohl arabische als auch europäische Politiker trafen sich meist zuerst mit ihm und dann erst mit Abbas. Um vollends zurückzukehren ins nahöstliche Rampenlicht müsste Arafat aber aktiv die Aufgaben übernehmen, die Abbas mit seiner Zustimmung zum Friedensplan - der "road map" - versprochen hatte zu erledigen: die Radikalen zu entmachten. Genau dazu war Arafat aber - mit einer kurzfristigen Ausnahme - noch nie bereit gewesen. Immer galt ihm die zweifelhafte "Einheit" der Palästinenser mehr als die Durchsetzung einer pragmatischen Linie zu Erreichung der politischen Ziele - allen voran die Ausrufung des eigenen Staates.

Internationale Truppen

Die Sicherheitslage dürfte sich auch durch die Ernennung Radschubs nicht maßgeblich verbessern. Und das lässt in manchen Kreisen erneut den Ruf nach der Entsendung internationaler Truppen laut werden - eventuell sogar unter dem Befehl der NATO. Unter den Palästinensern wird diese Idee unterstützt, in Israel hingegen nicht.

Selbst wenn man die territorialen Ambitionen mancher Israelis außer Betracht lässt, so bleibt als recht überzeugendes Argument gegen solch eine Truppe, was Arbeiterpartei-Chef Schimon Peres schon vor längerer Zeit dagegen ins Feld führte: Eine internationale Truppe werde keinen einzigen Selbstmordanschlag verhindern können - weil es sich hier um Einzeltäter handelt. Sie werde aber Israel jede Möglichkeit nehmen, mit offiziellen - militärischen - Mitteln auf solche Anschläge zu reagieren.