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Arbeiten in ganz Europa

15. Oktober 2009

Mit Arbeitsmigration und ihrem Entwicklungspotential befasst sich die EU in Malmö. DW-WORLD.DE spricht mit Thomas Liebig von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD.

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Thomas Liebig, OECD (Foto: Thomas Liebig)
Im Interview: Thomas Liebig, OECDBild: Thomas Liebig

DW-WORLD.DE: Wenn über den Arbeitsmarkt gesprochen wird, dann kommt man an dem Thema Wirtschaftskrise nicht vorbei - wie wirkt sich diese Entwicklung für Migranten auf dem Arbeitsmarkt aus?

Thomas Liebig: Migranten sind natürlich besonders stark von der Wirtschaftskrise betroffen. In vielen OECD-Ländern lässt sich das relativ klar nachweisen. Beispielsweise in Österreich, wo wir sehen, dass Migranten viel stärker von der Arbeitslosigkeit betroffen sind. Das sehen wir auch in vielen anderen Ländern. Wir wissen aus der Vergangenheit, dass eine Krise einen langfristig negativen Einfluss auf die Beschäftigungschancen von Zuwanderern und deren Kindern in besonderer Weise haben kann.

Warum sind Migranten schneller von der Arbeitslosigkeit betroffen?

Das hängt zum einen damit zusammen, dass sie sehr häufig in konjunkturanfälligen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Das heißt, sie sind dort sehr stark überpräsentiert. In Deutschland ist das verarbeitende Gewerbe besonders stark betroffen, weil es vom Import abhängt. Auch der Handel und zum Teil das Baugewerbe sind betroffen. All diese Bereiche sind Sektoren, die besonders sensibel auf die Konjunktur reagieren. Zum anderen sind Migranten in Zeit- und Leiharbeit überrepräsentiert. Und zum Dritten, kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Diskriminierung dazu führt, dass Migranten weniger Chancen haben, überhaupt eine Stelle zu finden. Zum Teil wissen wir aus unterschiedlichen Ländern, dass es Beweise dafür gibt, dass Migranten selektiv entlassen werden.

Die OECD hat einen internationalen Migrationsausblick für 2009 veröffentlicht. Nach dem Bericht müssen die Regierungen darauf achten, dass sich bei schlechteren Arbeitsmarktbedingungen nicht die Migrationsbedingungen verschlechtern. Dann nämlich fehlen die ausländischen Arbeitskräfte beim Wirtschaftswachstum. Wie kann das gesichert werden?

Nachdem, was wir bislang sehen, haben die Regierungen relativ weise reagiert. Das ist eine Phase, in der sich viele Länder geöffnet haben und das gerade vor der Krise im Hinblick auf mehr Zuwanderung. Es wäre natürlich sehr gefährlich, wenn Länder wieder zurück fahren würden. Das könnte strukturell die Chancen für die Zukunft verbauen. Es ist ja ganz klar, wenn wir eine Wirtschaftskrise haben, gibt es weniger Arbeitsmarktzuwanderung, weil es auch weniger Nachfrage nach Arbeit gibt. Dadurch ist automatisch eine gewisse Regulierung vorhanden. Es wäre jetzt problematisch, wenn man ganz rigide Maßnahmen fahren würde, die man auch im Aufschwung nicht wieder zurück nehmen kann. Damit würde man sich die Chancen für die Zukunft versperren und auch den Aufschwung behindern.

Hat die OECD Anhaltspunkte oder Zahlen dafür, welche Länder in Europa den Arbeitsmarkt für Migranten möglicherweise schließen könnten?

Die Länder, die sich sehr stark geöffnet hatten, und sehr hohe Zuwanderung vor der Wirtschaftskrise hatten, wie beispielsweise Spanien. Dort sind Migranten besonders stark betroffen und natürlich ist auch die Migrationspolitik weniger liberal als vorher. Deutschland hat darauf weitgehend reagiert. Man will den Arbeitsmarkt testen, etwas strikter werden, aber ansonsten öffnen. Das ist gerade im Hinblick auf die hoch qualifizierten Personen erfolgt.

Bei der Analyse ist es sicherlich richtig, zwischen hoch qualifizierten und niedrig qualifizierten zu unterscheiden. Was muss dabei beachtet werden?

Hier muss beachtet werden, dass nicht unbedingt nach dem Qualitätsniveau unterschieden werden muss, sondern auch nach der Beschäftigung selbst. Die Beschäftigung von vielen hoch qualifizierten und qualifizierten aus Polen in dem Vereinigten Königreich beispielsweise war vielfach in niedrig qualifizierten Beschäftigungen. Hier muss relativ klar zwischen dem Qualifikationsniveau der Beschäftigung und dem Qualitfikationsniveau der Migranten selbst unterschieden werden.

Das Inteview führte Karin Jäger.

Redaktion: Heidi Engels