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Arbeit und Statistik

Hajo Felten27. November 2008

Die Erwartungen an die neuen Zahlen der Arbeitslosenstatistik sind groß, Fachleute und Öffentlichkeit versprechen sich von ihnen Aufschluss über die aktuelle Wirtschaftslage. Was aber sagen die Zahlen wirklich aus?

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Glasscheibe mit dem Logo der Agentur für Arbeit. Dahinter ist der Schatten eines Mannes zu sehen. (Quelle: AP)
Bild: AP

Mindestens einmal im Monat schaut Deutschland gebannt nach Nürnberg. Dort nämlich veröffentlicht die Bundesagentur für Arbeit regelmäßig die jüngsten Daten zum Arbeitsmarkt.

Die Erwartungen von Fachleuten und Öffentlichkeit an die Zahlen, die an diesem Donnerstag (27.11.2008) publiziert werden, sind groß - zeigt die Arbeitslosenstatistik doch recht eindringlich, wie es steht in Deutschland: Sind die Zahlen gestiegen, geht ein Ruck durch die Republik. Meist wird die aktuelle Konjunkturlage als Ursache für "das Missgeschick" nach vorne geschoben. Sind die Arbeitslosenzahlen dagegen gefallen, herrscht einmal mehr "Friede-Freude-Eierkuchen-Politik" im Lande. Politik und Wirtschaft gratulieren sich gegenseitig zum Erfolg ihrer bisherigen Arbeit. Was aber macht diesen Erfolg oder Misserfolg in Zahlen eigentlich aus?

Schwierige Definition

Die Erwartungen an die Arbeitslosenstatistik lassen sich relativ leicht formulieren: Die Zahl der Arbeitslosen sollte offen legen, wie viele Menschen tatsächlich ein Beschäftigungsproblem haben.

Dies ist aber leichter gesagt als getan, denn die Realität ist komplex, die Messung schwierig, und die Daten sind ein Politikum. Definitionsgemäß ist die Arbeitslosenquote der Anteil der Arbeitslosen an der Gesamtzahl der zivilen Erwerbspersonen. Was zunächst recht einleuchtend klingt, ist bei näherer Betrachtung nicht ganz so einfach.

Arbeitslos, nur weil man nicht arbeitet?

In die Arbeitslosenquote gehen nur Menschen ein, die schon einmal selbst erwerbstätig waren. Sie ist ein Indikator für die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungslage und Teil der Arbeitslosenstatistik. Die Berechnung der registrierten Arbeitslosigkeit wird von der Bundesagentur für Arbeit durchgeführt.

Um als arbeitslos erfasst zu werden, müssen nach Angaben von Pressesprecherin Ilona Mirtschin mehrere Faktoren erfüllt sein. Dazu gehören unter anderem das Alter: Man muss zwischen 15 und 65 Jahre alt sein. Die Wochenarbeitszeit von 14 Stunden darf nicht überschritten werden und man muss dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

Dabei ist gerade der zuletzt genannte Punkt besonders wichtig, denn er ist das Ausschlusskriterium, warum beispielsweise Teilnehmer an Maßnahmen der Bundesagentur nicht als arbeitslos gelten, denn sie stehen dem Arbeitsmarkt für diesen Zeitraum ja zwangsläufig nicht zur Verfügung, so Ilona Mirtschin.

Mehr Arbeitslose als offiziell angegeben

Nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) liegt die Unterbeschäftigung in Deutschland bei rund fünf Millionen Menschen. Zu den offiziell gemeldeten Arbeitslosen rechnet er noch mehr als eine Millionen Menschen dazu, die wegen Altersteilzeit, Ein-Euro-Job oder Qualifizierungs-, beziehungsweise Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aus der Statistik fallen. Darüber hinaus würden sich mehr als 740.000 Arbeitssuchende nicht bei den Arbeitsagenturen melden, weil sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hätten.

Zu viele, die eigentlich arbeiten wollen, fielen durch die zu breiten Maschen des Statistik-Netzes, monieren Kritiker der aktuellen Gesetzeslage. Der Begriff "Arbeitslosigkeit", so kritisieren Fachleute, sei vom Gesetzgeber zu eng gefasst.

Verdeckte und versteckte Arbeitslosigkeit

Arbeitssuchende in der Bundesagentur für Arbeit. (Quelle: AP)
Arbeitssuchende warten auf passende AngeboteBild: AP

So unterscheidet man neben der offiziellen noch andere Arbeitslosigkeiten, die nicht in der Arbeitslosenstatistik berücksichtigt werden: Es gibt die "versteckte Arbeitslosigkeit". Sie bezieht sich auf alle erwerbsfähigen Menschen ohne Anstellung, die statistisch nicht erscheinen. Hierzu zählen beispielsweise Arbeitslose, die Arbeitslosengeld beziehen, ohne dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen - etwa bei der Vorruhestandslösung.

Ein weiterer Aspekt ist die "verdeckte Arbeitslosigkeit": Das betrifft die Personen, die aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht entlassen werden können, de facto aber nicht mehr für das Unternehmen tätig sind. Und dann gibt es noch die "stille Reserve": Das sind Menschen, die zwar bereit sind, eine Erwerbsarbeit anzunehmen, aber nicht offiziell arbeitslos gemeldet sind - beispielsweise, weil kein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht.

All das spricht nach Meinung von Ilona Mirtschin dafür, dass die Arbeitslosenstatistiken nicht das wahre Beschäftigungsproblem abbilden. Das weiß auch die Politik: Sie kann natürlich durch Um- oder Neudefinition der zugrundeliegenden Größen, die Statistiken schön färben. Es gibt wohl keine Partei, die sich bisher gescheut hätte, davon keinen Gebrauch zu machen. Der neueste Clou: Die Bundesregierung will offenbar die Zahl der Arbeitslosen 2009 per Gesetzesänderung runterrechnen.

Statistische Zahlentricks

Nach einem Gesetzentwurf zur Neuregelung von Arbeitsmarktinstrumenten sollen künftig alle Arbeitslosen, die durch private Träger betreut werden, nicht mehr als arbeitslos gezählt werden. Das berichtete am Dienstag (25.11.) die "Financial Times Deutschland". Im Oktober fielen darunter noch rund 149.000 Arbeitslose. Arbeitsmarktexperten sehen das Vorhaben äußerst skeptisch. Dies sei keine saubere Erfassung der Arbeitslosenzahlen, heißt es dazu, sondern reine Blenderei.