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Arbeitnehmer

Jens Korte15. Januar 2007

Der weltgrößte Einzelhändler Wal-Mart sorgt mit seinem neuen Arbeitszeitmodell für Debatten. Flexible Arbeitszeiten bedeuten hier: Jeder muss jederzeit verfügbar sein - je nach dem, wie groß der Kundenansturm ist.

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Hauptquartier der Lebensmittelkette Wal-Mart in Bentonville, Arkansas
Wal-Mart: Shop-around-the-clockBild: AP
Kundin in einer deutschen Wal-Mart-Filiale, Foto: AP
Für König Kunde macht Wal-Mart allesBild: AP

Der Kunde ist König – das ist die die Maxime des größten Einzelhandelskonzern der Welt, Wal-Mart, und diesen Grundsatz will er jetzt perfektionieren, auch wenn das auf Kosten seiner Angestellten geht: Diese sollen jetzt nicht mehr nach festen Zeiten arbeiten, sondern kurzfristig dann eingesetzt werden, wenn die meisten Kunden in den Läden sind. "Die große Herausforderung für die Einzelhändler besteht darin, die Verkäufer im Laden zu haben, wenn Kunden einkaufen wollen. Viele arbeiten tagsüber und müssen abends und am Wochenende ihre Besorgungen erledigen. Darauf müssen die Einzelhändler reagieren", erklärt Nikki Baird, Einzelhandelsanalystin vom Marktforschungsinstitut "Forester Research".

Arbeitsrechtler reagieren geschockt auf die Pläne von Wal-Mart. Erstmals in der Geschichte des Discountriesen kam es bei der Belegschaft zu Arbeitsniederlegungen. Paul Blank, von der gewerkschaftsnahen Initiative wakeupwalmart.com, kritisiert: "Der Zeitplan für die Mitarbeiter wird unvorhersehbar. Sie müssen von sieben Uhr in der früh bis elf Uhr abends auf Abruf parat stehen, und Wal-Mart teilt ihnen dann mit, ob und wann sie zur Arbeit kommen sollen."

Mehrere Jobs sind keine Seltenheit

Wal-Mart dementierte jedoch einen Bericht des Wall Street Journal, wonach die Angestellten "stand by" sein müssten, also von Tag zu Tag spontan eingesetzt werden könnten. In der Realität würden die Pläne drei Wochen im Voraus festgelegt. Da in den USA ein zweiter oder ein dritter Job keine Seltenheit sind, dürfte jedoch auch das nur schwer mit anderen Arbeitgebern vereinbar sein.

Wal-Mart-Supermarkt in den USA, Foto: AP
Wal-Mart: Arbeitszeitmodell mit Vorbildcharakter?Bild: AP

Mike Duff, Herausgeber der Fachzeitschrift "Retailing Today" hält hingegen die ganze Aufregung für übertrieben: "Wenn Wal-Mart etwas tut, dann um Kosten zu senken und den Service zu verbessern. Und über die Kostenseite kann Wal-Mart die Preise für die Kunden niedrig halten", so seine Rechtfertigung.

Datenerhebung

Wal-Mart greift für das neue Arbeitszeitmodell auf eine einzigartige Datenbank zurück. Das Unternehmen hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Daten über Kunden und deren Kaufgewohnheiten zusammengetragen, anhand derer es die Shopping-Spitzenzeiten ermitteln und dementsprechend die Schichten einteilen kann.

Wal-Mart selbst gibt an, damit ganz im Interesse der Kundschaft zu handeln, etwa um lange Warteschlangen zu verhindern, erklärt Mike Duff: "Firmengründer Sam Walton kam selbst aus einfachen Verhältnissen. Es war berühmt-berüchtigt, wie er das Management in den eigenen Filialen ignoriert hat, und mit den einfachen Beschäftigten zum Lunch gegangen ist. Er wollte immer den Kundenservice verbessern, und niemand hätte ihm das besser sagen können, als die Beschäftigten, die täglich mit den Kunden zu tun haben."

Wohin mit Familie und Kindern?

Ein Plakat eines Einkaufszentrums wirbt mit Öffnungszeiten bis 22 Uhr, Foto: AP
Vorbildcharakter auch für Deutschland?Bild: AP

Analystin Nikki Baird warnt davor, die sozialen Herausforderungen des neuen Systems nicht zu unterschätzen: "Man muss über die sozialen Auswirkungen nachdenken, wenn immer mehr Leute abends und am Wochenende arbeiten. Hier in den USA stellt sich die Frage der Kinderbetreuung. Es ist so gut wie unmöglich, einen Kinderhort für Samstag oder Sonntag zu finden."

Sollte das Modell erfolgreich sein, dann dürften andere Unternehmen folgen. Wal-Mart ist mit rund 1,3 Millionen Beschäftigten nach der US-Regierung der größte Arbeitgeber in den USA, und gilt dementsprechend als Leithammel. Paul Blank allerdings befürchtet, dass sämtliche Anstrengungen der Gewerkschaften der vergangenen Jahre durch Wal-Mart auf den Kopf gestellt werden könnten: "Das wäre die Abkehr von flexibler Arbeitszeit für Arbeitnehmer, etwa um mehr Zeit mit der Familie zu verbringen - hin zur flexiblen Arbeitszeit für Unternehmen."