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Argentinien: Bundeskanzler soll mit Staatspräsident Kirchner über Morde der Junta sprechen

14. April 2005

Esteban Cuya, "Koalition gegen Straflosigkeit", im Interview von DW-WORLD.DE – Streit um Verdienstkreuz für Ex-Oberst

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Vor dem Treffen von Bundeskanzler Gerhard Schröder mit dem argentinischen Staatspräsidenten Nestor Kirchner hat die Menschenrechtsgruppe "Koalition gegen Straflosigkeit" (Nürnberg) Schröder aufgefordert, "nicht nur wirtschaftliche Themen anzusprechen". Esteban Cuya, Koordinator und Mitbegründer der Menschenrechtsgruppe, plädierte in einem Interview von DW-WORLD.DE dafür, "das noch ungelöste Problem der während der Militärdiktatur in Argentinien verschwundenen Deutschen gegenüber Kirchner zu thematisieren". Zwischen 1976 und 1983 seien rund 100 Deutsche und Deutschstämmige in Argentinien verschwunden. Die "Koalition gegen Straflosigkeit", ein Zusammenschluss aus Menschenrechtsgruppen, Kirchenvertretern und Anwälten mit Sitz in Nürnberg, setzt sich im Auftrag von Angehörigen deutscher und deutschstämmiger Opfer seit 1998 für eine Strafverfolgung argentinischer Militärs ein.

Cuya forderte zugleich das Auswärtige Amt und das Bundespräsidialamt auf, einem Oberst der früheren argentinischen Militärjunta das Bundesverdienstkreuz abzuerkennen, das ihm 1981 verliehen worden war. Gegen den ausgezeichneten Juan José Masi lägen in Argentinien Anzeigen wegen seiner Rolle während der Militärdiktatur (1976-1983) vor, erklärte Cuya gegenüber DW-WORLD.DE. Von 1975 bis 1976 soll er als Bindeglied zwischen operativen Gruppen des Heeres, die Menschen verschleppten und folterten, und der Polizei fungiert haben. Zwischen 1977 und 1980 war Masi Militärattaché an der argentinischen Botschaft in Bonn.


"Dass er eine solch hohe Auszeichnung bekommen hat, ist ein Skandal", so Cuya weiter. "Eine Aberkennung der Auszeichnung wäre für uns ein wichtiges Signal, das auch großen symbolischen Charakter hätte."


Cuya hat sich mit dem Fall auch an den Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Tom Koenigs (Bündnis 90/Die Grünen), gewandt. Koenigs bestätigte auf Anfrage von DW-WORLD.DE, dass der Fall Masi derzeit intern geprüft werde. "Man muss der Sache nachgehen und deutlich machen, dass man politisch und moralisch auf der Seite der Koalition ist." Koenigs weiter: "Wir wollen nicht, dass Leute, die sich der Auszeichnung nicht würdig erwiesen haben, nun stolz den deutschen Orden an der Brust tragen."


Die Verleihung von Orden an Diplomaten, die nach längerem Aufenthalt ihr Gastland verlassen, entspreche internationaler Praxis, teilte die Ordenskanzlei des Bundespräsidialamtes DW-WORLD.DE mit. Neben Botschaftern würden zum Teil auch Militärattachés ausgezeichnet. Mit Blick auf den besonderen diplomatischen Statuts erfolge die Auszeichnung ohne das sonst bei Ordensverleihungen übliche Prüfungsverfahren. Dieses Verfahren sei auch heute noch üblich. Eine Aberkennung im Fall Masi sei schwierig. Der Orden könne nach Auskunft der Kanzlei nur entzogen werden, wenn der Ausgezeichnete schwere Straftaten begangen habe und dafür verurteilt worden sei. Ordensentziehungen kämen weniger als zweimal pro Jahr vor.


Masi sei bislang nicht rechtskräftig verurteilt worden, der Fall deshalb äußerst schwierig, so Tom Koenigs zu DW-WORLD.DE. Auf die Frage, ob ähnliche Fälle künftig ausgeschlossen werden könnten, sagte Koenigs: "Natürlich kann man das nicht ausschließen. Bei der Debatte über die Geschichte des Auswärtigen Amtes gibt es sehr wenig, das Sie ausschließen können."

14. April 2005
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