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Arjouni und sein Held Kayankaya

Marie Todeskino 18. Januar 2013

Er schrieb Romane, Erzählungen und Theaterstücke. Doch die bekannteste Figur des verstorbenen Autors Jakob Arjouni blieb sein Detektiv Kayankaya, der erste deutsch-türkische Krimiheld.

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Der Schriftsteller Jakob Arjouni+++(c) dpa - Bildfunk+++
Schriftsteller Jakob ArjouniBild: picture-alliance/dpa

Eine Ermittlerfigur wie Kayankaya hatte es in der deutschen Literatur noch nicht gegeben: Der private Detektiv sprach den breiten Dialekt Hessisch. Türkisch konnte er gar nicht. Als Adoptivkind deutscher Eltern war der trinkende und rauchende Ermittler mehr Deutscher als Türke und blieb doch ein Außenseiter. Zum ersten Mal ermittelte Kayankaya in Jakob Arjounis Debüt "Happy Birthday, Türke!", das der Autor 1985 mit gerade mal 21 Jahren veröffentlichte.

Weitere vier Mal ließ Arjouni Kayankaya später wieder in Krimis aufleben. Zuletzt erschien "Bruder Kemal" im September 2012. Es war der letzte Einsatz von Privatdetektiv Kayankaya, denn sein Schöpfer Jakob Arjouni ist im Alter von 48 Jahren an Krebs gestorben. Die deutsche Kulturszene reagierte mit Trauer und Entsetzen auf seinen frühen Tod.

Arjouni war Vorreiter

Mit Kayankaya setzte Autor Jakob Arjouni Maßstäbe, die es bis dahin noch nicht gegeben hatte. Er entwickelte einen türkisch-stämmigen Helden und schaffte es, Erzählmuster der amerikanischen Literatur glaubwürdig ins Deutsche zu übertragen. Für den deutschen Krimi war der gebürtige Frankfurter deshalb stilbildend. Das lag auch an seiner spannendsten Figur, dem deutsch-türkischen Detektiv, der im Frankfurter Milieu ermittelte.

Das Buchcover "Happy Birthday, Türke" Jakob Arjouni; Copyright: Diogenes***Das Bild darf nur im Rahmen einer Buchbesprechung benutzt werden
Arjounis Kayankaya-Krimis wurden in 23 Sprachen übersetzt

Andreas Fanizadeh, Kulturjournalist und enger Freund von Jakob Arjouni, erklärt die Faszination Kayankaya: "Mit der Figur war Jakob Arjouni seiner Zeit voraus. Er war der erste, der die Frage nach der Repräsentanz der neuen Migration in der Literatur stellte. Vorher mussten Migranten immer 'die Anderen' bleiben. Das änderte Jakob Arjouni."

Konflikte der Multikulti-Gesellschaft

Anhand seiner Kayankaya-Krimis beschrieb Jakob Arjouni raffiniert die unterschwelligen Konflikte der Multikulti-Gesellschaft - ein Thema, das heute allgegenwärtig ist, Mitte der 80er Jahre jedoch neu war. "Die Nachkommen von Einwanderern konnten sich mit Kayankaya identifizieren. Er hatte einen ähnlichen Background und war kein Opfer, sondern steckte ein, teilte aber auch aus", erläutert Andreas Fanizadeh.

So sieht es auch die deutsch-türkische Autorin Menekşe Toprak: "Als 'Happy Birthday, Türke!' erschien, gab es Begriffe wie 'Deutsch-Türke' noch gar nicht. Heute ist Kayankaya noch aktueller als in der 80ern." Ihr gefallen an Arjounis Protagonist vor allem seine Leichtigkeit und sein Wortwitz: "Meine türkischen Bekannten in Deutschland finden ihn gerade witzig, weil er nicht so türkisch ist. Diese Leichtigkeit, die in Arjounis Büchern herauskommt, ist für viele eine Erleichterung."

Keine Migrationsliteratur

Für Toprak sind die Kayankaya-Krimis aber keine Migrationsliteratur: "Jakob Arjouni war ein Krimi-Autor, der das Milieu seines Ermittlers sehr realistisch beschrieben hat. Für mich sind es aber keine sozialkritischen Texte." Kayankaya bleibt für sie ein besonderer Protagonist: "Literatur muss den Menschen mit seinen Schattenseiten beschreiben. So eine Figur ist Kayankaya."

Film: 'Happy Birthday, Türke!' (Bundesrepublik Deutschland 1991; Regie und Buch nach dem Roman von Jakob Arjouni: Doris Dörrie). - Szene mit Hansa Czypionka (links) und Özay Fecht (rechts).
Das Buch "Happy Birthday, Türke!" verfilmte 1992 die deutsche Regisseurin Doris DörrieBild: picture alliance / akg-images

Auch in seinen anderen Romanen blieb Arjouni seinem Lieblingsthema, den Underdogs, treu: "Er war ein Romantiker mit einem Faible für Außenseiter", sagt Andreas Fanizadeh. Jakob Arjouni selbst beschrieb seinen Antrieb zu Erzählen so: "Bücher fangen bei mir eigentlich nie mit einer Geschichte an, sondern mit einer Frage, einer Sehnsucht oder Wut." (dpa).

Gesellschaftliche Probleme aufgegriffen

Aufgeladene Stimmungen und brenzlige Situationen zeichneten seine Erzählungen aus. Immer wieder griff er in ihnen aber auch brisante politische und gesellschaftliche Themen wie Nationalismus und Rassismus auf, wie etwa in seinem Theaterstück "Nazim schiebt ab". Als sein Krimi-Debüt 1985 erschien, dachten viele auch Jakob Arjouni stamme nicht aus Deutschland. Dabei hatte er den Familiennamen Arjouni erst nach der Heirat mit seiner ersten Frau angenommen, die aus Marokko stammte.

Jakob Arjouni starb in der Nacht zu Donnerstag (17.1.2013) im Kreise seiner Familie in Berlin.