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Arm und Reich, Alt gegen Jung

Heinrich Bergstresser11. Juli 2003

Das große Wachstum der Weltbevölkerung ist nicht das Besorgniserregende, sondern die auseinander klaffenden Scheren zwischen Arm und Reich sowie zwischen Alt und Jung. Ein Kommentar anlässlich des Weltbevölkerungstages.

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Mehr als die Hälfte aller Staaten macht sich zunehmend ernsthafte Sorgen um die demographische Entwicklung in ihren Ländern, und zwar aus zwei genau entgegengesetzten Gründen: In der zahlenmäßig kleinen Gruppe der Industrieländer sinkt die Bevölkerungszahl wegen der geringen Geburtenrate. In den Entwicklungs-, Schwellen- und Transformationsländern dagegen nimmt die Bevölkerung weiterhin zu.

Das heißt, das Wachstum in diesen Ländern, die die Masse der Staatengemeinschaft bilden, bestimmt seit mehreren Jahrzehnten die Größe der Weltbevölkerung, zurzeit kaum vorstellbare 6.3 Milliarden. Eine Zahl mit neun Nullen. Und eines nicht all zu fernen Tages trägt die Bevölkerungszahl mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits 10 Nullen.

Generationenkonflikt als tickende Zeitbombe

Diese Zahlen sind beängstigend, aber im Grunde recht abstrakt. Sie werden für den durchschnittlich interessierten Bürger erst begreifbar und ansatzweise erfassbar, wenn er weiß, dass die Weltbevölkerung jährlich um die Einwohnerzahl Deutschlands zunimmt.

So beängstigend dieses Zahlengewirr auch sein mag, die eigentliche Bedrohung für die kommenden Jahrzehnte liegt aber auf einer anderen Ebene: Gemeint ist die unheilvolle Verknüpfung von Bevölkerungsentwicklungen und der Verteilung von Arm und Reich auf der Welt. Denn während die sich das Bevölkerungswachstum wie erwähnt auf die ärmeren Staaten und der Bevölkerungsschwund auf die reichen Länder konzentriert, betrifft das Auseinanderdriften der Altersstruktur der Gesellschaften arme wie reiche Länder.

Löst die Natur das Problem der Weltbevölkerung?

Die Hälfte der Weltbevölkerung ist unter 25 Jahre alt. Davon entfallen eine Milliarde auf die Altersgruppe der 10 bis 19-jährigen. Gleichzeitig steigt die Anzahl der älteren und alten Menschen - zurzeit noch ein Phänomen der Industrieländer - zukünftig auch in den Entwicklungsländern drastisch an. Hier bahnt sich ein Konflikt zwischen den Generationen um Arbeit und gesellschaftliche Teilhabe an, der in reichen und armen Regionen zu einer tickenden sozialen Zeitbombe wird. Die Brisanz dieser Zeitbombe wird durch den derzeitigen Trend der Weltwirtschaft verstärkt. Der Trend besagt, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter vergrößert.

Es gibt keinen Königsweg, aber eins ist sicher: Es muss in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten einen signifikanten Ausgleich zwischen armen und reichen Regionen geben. Gleichzeitig darf eine kreative Familienplanung nicht auf die Wachstumszentren der Dritten Welt beschränkt bleiben, sondern muss auch in den Industrieländern angewandt werden. Ansonsten werden soziale Konflikte und nicht zuletzt die Natur auf brutale Weise das Problem der Weltbevölkerung und ihres demographischen Wandels lösen. Das jedoch dürfte keiner ernsthaft wollen. Denn die bereits heute überschaubaren Konsequenzen wären für die meisten Menschen bitter, schmerzhaft und sehr wahrscheinlich dramatisch.