1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Armes Amerika

Daniel Scheschkewitz6. Oktober 2003

Es ist ein Teufelskreis: Kein Geld ohne Arbeitsplatz. Ohne Geld keine Versorgung. Ohne Versorgung - und so weiter. Bittere Realität für fast jeden siebten Amerikaner.

https://p.dw.com/p/47jp
Betteln und Hausieren verbotenBild: Bilderbox

Immer mehr Menschen in den Vereinigten Staaten sind ohne jeden Krankenversicherungsschutz – ein Trend, der nicht neu ist. Noch nie war jedoch der Anstieg der Zahl der Nicht-Versicherten so hoch wie im Jahr 2002. Nach einer jetzt veröffentlichten Erhebung der staatlichen Zensusbehörde waren im vergangenen Jahr mehr als 43 Millionen US-Bürger ohne Krankenversicherung. Das ist im Durchschnitt jeder siebte.

Versicherung ist Glückssache

In den USA gibt es keine gesetzliche Versicherungspflicht für Krankheit. Und die Zahl derer, die von ihrem Arbeitgeber versichert werden, ging aufgrund der Wirtschaftskrise deutlich zurück. "Wenn man sich vergegenwärtigt, was mit der US-Wirtschaft im Jahr 2002 passiert ist, dann kann dieser Trend nicht verwundern", sagt Paul Fronston vom Sozialforschungsinstitut EBRI in Washington. "Weniger Arbeitsplätze, weniger Versicherte. So einfach ist das."

Nur in manchen Bundesstaaten sind die Arbeitgeber ab einer bestimmten Betriebsgröße verpflichtet, ihre Angestellten zu versichern. Andere Firmen bieten eine Krankenversicherung als freiwilliges Zusatzangebot für den Arbeitnehmer an – so, wie manche Firmen in Europa einen Dienstwagen zur Verfügung stellen. Doch auch die Zahl dieser Versicherungen ist rückläufig.

Die Politik schaut zu

Von allen Vollzeitbeschäftigten hatten im zurückliegenden Jahr fast 20 Millionen keine Krankenversicherung. Wer trotzdem krank wird, muss in der Regel tief in die Tasche greifen. Die Behandlungskosten im Krankenhaus sind um ein Vielfaches höher als in Europa. Ähnliches gilt für Medikamente. Doch während die Alten in den USA eine politische Lobby darstellen und die Medikamentenhilfe auf die innenpolitische Agenda gesetzt haben, tut sich bei den Versicherungslosen nichts.

"Die Bush-Regierung hat so gut wie gar nichts getan, um dieses Problem zu bekämpfen. Und auch der Kongress ist mit anderen Dingen beschäftigt", so Ronald Pollock von "Families USA". "Obwohl das Parlament rund 50 Milliarden Dollar zur Lösung des Problems bereit gestellt hatte, sieht es so aus, als ob nichts geschehen wird. Es sei denn, die aktuelle Erhebung wird als Aufschrei interpretiert."

Die Zahl der Armen steigt

Aufschreien müssten vor allem die Armen in den USA: Über zwölf Prozent aller US-Bürger gelten derzeit als arm. Arm ist, wer mit weniger als 25 Dollar am Tag auskommen muss. Eine Krankenversicherung kann man sich davon jedenfalls nicht leisten. In der Gruppe der Menschen, die mit einem Haushaltseinkommen von unter 30.000 Dollar pro Jahr auskommen müssen, ist jeder Vierte ohne Versicherung. Doch der politische Einfluss dieser Schicht ist gering. Arme gehen erfahrungsgemäß kaum an die Wahlurne, auch wenn ihre Zahl – wie eine weitere Erhebung zeigt – stetig steigt.