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Armstrongs Bescheidenheit

20. Juli 2013

Der Mensch erobert den Weltraum. Der Schritt auf den Nächsten zu scheint schwieriger und hat unterschiedliche Motive. Wie weit man mit Bescheidenheit kommt beschreibt für die evangelische Kirche Gerhard Richter.

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FILE - In undated photo provided by NASA shows Neil Armstrong. The family of Neil Armstrong, the first man to walk on the moon, says he has died at age 82. A statement from the family says he died following complications resulting from cardiovascular procedures. It doesn't say where he died. Armstrong commanded the Apollo 11 spacecraft that landed on the moon July 20, 1969. He radioed back to Earth the historic news of "one giant leap for mankind." Armstrong and fellow astronaut Edwin "Buzz" Aldrin spent nearly three hours walking on the moon, collecting samples, conducting experiments and taking photographs. In all, 12 Americans walked on the moon from 1969 to 1972. (Foto:NASA/AP/dapd)
Mondlandung 1969 Neil ArmstrongBild: NASA/dapd

Ein großer Schritt

Das war einer der größten Schritte, den ein Mensch jemals getan hat. Von der letzten Stufe der Leiter auf die Mondoberfläche. Morgen jährt sich der Tag der Mondlandung.

Als Zwölfjähriger verfolgte ich damals voller Begeisterung die bewegten Bilder. 500 Millionen haben 1969 diese Aufnahmen angeblich live im Fernsehen gesehen. Hier in Deutschland war das mitten in der Nacht, kurz vor vier Uhr. Neil Armstrongs Kommentar ist ein geflügeltes Wort geworden: "Dies ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Sprung für die Menschheit."

Aber wohin ist die Menschheit gesprungen? Armstrong selbst hat ein ungewöhnliches Beispiel gegeben. Nach seinem zweiten Weltraumflug hat er sich zurückgezogen. Zuerst lehrte er an der Universität in Cincinatti. Später wechselte er in die Wirtschaft. Lange Zeit weigerte er sich Autogramme zu geben. Selbst sein Friseur musste spüren, dass es ihm unangenehm war, aus seinem Status Vorteile zu schlagen. Den Erlös einer Locke, die er ohne Armstrongs Zustimmung verkauft hatte, musste er für einen gemeinnützigen Zweck stiften.

Tu Gutes und rede darüber?

Solche Bescheidenheit ist mir sympathisch. Vielleicht, weil ich häufig genau das Gegenteil davon erlebe. Das passende Sprichwort kennen viele: „Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr!“. Und tatsächlich scheint etwas Wahres daran zu sein. Wer frech ist, bekommt die besseren Positionen. Wer laut schreit, wird gehört. Auch auf die großen Ideale im Miteinander der Menschen trifft das zu. Schon immer hatte ich ein ungutes Gefühl, wenn mich jemand mit dem Satz: „Tu Gutes und rede darüber“ aufmuntern wollte.

Die Bilder von der Flut in den vergangenen Wochen ziehen wieder an mir vorbei. Auch die Aufrufe zur Hilfe. Die Spendengala.

Helfer im Mittelpunkt

Mir fällt ein Widerspruch auf. Wenn ich jemandem helfen möchte, dann ist das zuerst einmal selbstlos gedacht. Ich sehe die Not der Anderen. Ich möchte helfen. Ich selbst verspreche mir davon keinen Vorteil. Jedoch der Gedanke darüber zu erzählen, spielt mit meinem guten Vorsatz. Er bringt mich in den Mittelpunkt. Ich kann mich gut fühlen, weil ich einem anderen Menschen geholfen habe. Mehr vielleicht, als Andere.

Dieses Gefühl ist befriedigend. Es ist auch legitim. Aber es ist ein zweischneidiges Schwert. Ich muss aufpassen, dass meine Spende nicht zur Werbeaktion für mich selbst wird.

Wie ist das mit Menschen, die helfen wollen aber nur ein kleines Einkommen haben?. Muss ich mich schämen, wenn ich statt der 500 Euro nur fünf gebe? Oder: Wie darf ich mich fühlen, wenn ich sage: Ich gebe kein Geld, ich packe lieber mit an?

Vergleichen schadet

Der Satz: „Tue Gutes und rede darüber“ verleitet zum Vergleich. Da, wo sich jemand besser fühlt als die anderen, kommt auch jemand schlechter weg. Mancher könnte das als Bloßstellung empfinden. Möglicherweise wird sogar jemand davon abgehalten, mit seinen geringen Kräften zu helfen.

Wenn jemand abgibt, der viel besitzt, dann tut das vielleicht nicht einmal weh – überlege ich mir. Aber jemand, der wenig besitzt, muss sich wirklich einschränken, um abgeben zu können. Die größere Hilfe kann wahrscheinlich mehr ausrichten. Das ist richtig. Aber die Hilfe eines Menschen, der selbst schon auf Hilfe angewiesen war, kommt aus der Erinnerung an die eigene Hilfsbedürftigkeit.

Solidarität des Mitfühlens

Darin steckt die Solidarität des Mitfühlens. Und das Mitfühlen mit anderen Menschen ist eine Eigenschaft der Liebe, die uns Christen ans Herz gelegt ist. Deshalb habe ich immer wieder großen Respekt vor bescheidenen Menschen; zum Beispiel Neil Armstrong. Bescheidenheit drückt solche Liebe aus – ohne große Worte darüber zu machen.

Titel: Pfarrer Gerhard Richter
Pfarrer Gerhard RichterBild: GEP

Zum Autor: Gerhard Richter (Jahrgang 1957) ist seit November 2004 Gemeindepfarrer im Dörfchen Bibra im Süden Thüringens, das zur Gemeinde Grabfeld gehört. 2011 wurde er zum 2. Stellvertreter der Superintendentin des Kirchenkreises Meiningen gewählt. Als gelernter Tiefbauer studierte er zuerst Bauwesen, ehe er zur evangelischen Theologie fand. Später war er neben dem Pfarrdienst Landessynodaler in Thüringen und Mitglied im Theologischen Ausschuss der Vereinigten Lutherischen Kirche in Deutschland (VELKD). 1997 entsandte ihn das Evangelisch-Lutherische Missionswerk Leipzig für sieben Jahre in Tansania als Missionar. Gerhard Richter hat zwei Söhne und eine Tochter, die mittlerweile schon das dritte Enkelkind geboren hat.