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Armut trotzt Erdölboom

Johannes Beck30. Juli 2012

In Angola hat der Wahlkampf für die Parlamentswahlen begonnen. Hauptthema ist der Reichtum der Präsidentenfamilie und die allgemeine Armut. Warum geht es Angola trotz der Erdölmilliarden nicht besser?

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Luanda: Die Hauptstadt Angolas (Foto: AP)
Bild: AP

Seit dem vergangenen Jahr demonstrieren vor allem Jugendliche regelmäßig in Angola. Der Arabische Frühling hat ihnen Hoffnung auf Wandel gemacht. Ihr Protest richtet sich gegen den seit 32 Jahren regierenden Präsidenten José Eduardo dos Santos und gegen die soziale Ungleichheit, die im Land herrscht.

Zusammen mit anderen Musikern hat jetzt auch der Rapper MCK der Protestwelle eine Stimme verliehen. "Diese Ungleichheit ist enorm: Wir sind verurteilt, Sklaven dreier Familien zu sein", prangert er in seinem Lied "O Pais do Pai Banana" die ungleiche Verteilung des Reichtums in Angola an. "Alles gehört ihnen, die Diamanten gehören ihnen, das Erdöl gehört ihnen, die Immobilien gehören ihnen. Wir dagegen betteln im Freien", singt MCK.

Der angolanische Rapper MCK, auch MCKappa genannt, während eines Konzertes in Angola (Foto: MCK)
Rapper MCK aus AngolaBild: MCK

Dabei müsste Angola beste Voraussetzungen haben, die Armut zu beseitigen. Seit Jahren wächst die Wirtschaft rasant: In den Jahren 2005 und 2007 gehörte das Wirtschaftswachstum mit mehr als 20 Prozent sogar zu den höchsten der Welt. "Mit der Beschleunigung des Wirtschaftswachstums konnten wir sehen, wie sich ein Duzend Menschen bereichert hat. Nur eine kleine Gruppe ist immer reicher geworden, während sich ein Graben zur großen Mehrheit auftat", erinnert sich MCK. "Das Wenige, was wirklich gewachsen ist, ist die Infrastruktur, das sogenannte Beton-Wachstum."

Bauboom in der Hauptstadt

In Luanda ziehen brasilianische, portugiesische und chinesische Baukonzerne gläserne Bürobauten hoch. Sie errichten neue Stadtviertel für Reiche, bauen neue Autobahnen und erneuern die Eisenbahnlinien im Landesinneren. Finanziert wird der Bauboom durch das Erdöl. Nach Nigeria ist Angola Afrikas zweitgrößter Erdölexporteur. Sage und schreibe 98 Prozent der Exporteinnahmen stammen vom Ölhandel - nur wenige Länder sind so stark von einem einzigen Produkt abhängig wie Angola.

Portrait von Angolas Präsident Jose Eduardo dos Santos. (Foto: Getty Images)
Angolas Präsident Jose Eduardo dos SantosBild: Getty Images

Gleichzeitig grassiert die Armut. In den einfachen Vierteln Luandas, den Musseques, gibt es meist keinen Strom- und keinen Wasseranschluss. Auf dem Land fehlt es den Menschen oft schon an der einfachsten Gesundheitsversorgung. Die Kindersterblichkeit ist eine der höchsten der Welt: Jedes sechste Kind stirbt, bevor es fünf Jahre alt wird.

"Angola ist heute wahrscheinlich das Land mit den größten sozialen Unterschieden auf der Welt. Nirgendwo sonst stellen die Reichen ihren Reichtum so ungeniert zur Schau", kritisiert der angolanische Schriftsteller Agualusa die Zustände in seinem Land. Er warnt vor der Gefahr einer sozialen Explosion als Resultat der Ungleichheit.

"Reichtum besser Verteilen" als Wahlkampfslogan

Zumindest in Punkto Rhetorik scheint die Regierungspartei MPLA begriffen zu haben, dass die Reichtümer des Landes besser verteilt werden müssen. Sie zieht mit dem Slogan "Für mehr Wachstum und eine bessere Verteilung" ("Para Angola crescer e distribuir melhor") in den Wahlkampf.

Auf einem nicht befestigten Platz mit viel Müll bieten die Menschen an provisorischen Ständen Dinge zum Kauf an. (Foto: Picture-Alliance/ZB)
Der Markt der Landeshauptstadt LuandaBild: picture-alliance/ZB

Doch die angolanische Regierung der MPLA ist in letzter Zeit eher durch Nachrichten über verschwundene Milliarden als durch Sozialprogramme aufgefallen. Nach einem Bericht des Internationalen Währungsfonds ist unklar, wo in den vergangenen fünf Jahren Öleinnahmen in Höhe von insgesamt etwa 42 Milliarden US-Dollar geblieben sind. Die Summe ist höher als das gesamte Bruttoinlandsprodukt afrikanischer Staaten wie Kenia, Äthiopien oder Ghana.

Bei den fehlenden Devisen handelt es sich um Erdöleinnahmen, die vom staatlichen Ölkonzern Sonangol verwaltet und nicht an den offiziellen Haushalt des Landes weitergegeben wurden. Laut Angaben der Regierung sind mit dem Geld Infrastrukturprojekte finanziert worden. Doch welche genau und was die Projekte im Einzelnen gekostet haben, konnte die Regierung bis jetzt nicht sagen.

"Dass die Daten, die aus den verschiedenen Ministerien kommen, nicht miteinander übereinstimmen, macht klar, dass weder das Finanz- noch das Erdölministerium wirklich kontrollieren, was Sonangol mit den Erdöleinnahmen des Landes macht", sagt Sizaltina Cutaia von der Nichtregierungsorganisation Open Society Angola. "Es gibt niemanden, der die Aktionen von Sonangol kontrolliert. Hier stimmt etwas nicht!"

Milliardenschwere Familie des Präsidenten dos Santos

Ebenfalls ungeklärt ist, wie die Präsidentenfamilie zu ihrem sagenhaften Reichtum gekommen ist. Allein Isabel dos Santos, die Tochter des seit 32 Jahren herrschenden Staatspräsidenten José Eduardo dos Santos, gehört ein milliardenschweres Firmenimperium - darunter das größte Mobilfunkunternehmen des Landes, Unitel, und Beteiligungen an mehreren portugiesischen Banken.

Portrait von Angolas Schriftsteller José Eduardo Agualusa. (Foto: dpa)
Angolas Schriftsteller José Eduardo AgualusaBild: picture-alliance/dpa

"Das Wachstum darf sich nicht auf Beton beschränken. Was besser werden muss, ist die Lebensqualität der Menschen", fordert Rapper MCK. "Den Menschen darf es nicht an Grundnahrung fehlen. Es muss mehr Chancen für Bildung geben und die Gesundheitsversorgung muss besser werden."

Doch die Chancen für einen Machtwechsel bei den Wahlen am 31. August sind gering. All zu groß ist die Übermacht der MPLA. Die Regierungspartei, die seit der Unabhängigkeit von Portugal 1975 an der Macht ist, kontrolliert alle staatlichen und auch fast alle der wenigen privaten Medien. Außerdem verfügt sie über fast unbeschränkte Finanzmittel für den Wahlkampf. Die Opposition hat kaum Chancen, die Wahlen zu gewinnen.