1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Chinesische Kunst: Fehlanzeige

Jochen Kürten18. April 2012

China nimmt inzwischen einen Spitzenplatz im weltweiten Kunsthandel ein. Zeitgenössische Kunst aus China findet man auf der aktuellen Art Cologne aber wenig. Wenn, dann spielt sie mit Stereotypen oder fällt kaum auf.

https://p.dw.com/p/14fdA
Kunstobjekt Man on Chairs von He Xiangyu vor dem Kölner Messeportal (Foto: Jochen Kürten)
Bild: DW

"China ist die Nummer 1 auf dem globalen Kunstmarkt" - "Ein Erdbeben, das die Welt der Kunsthändler verändert hat" - "Ein Elektroschock in der Geschichte des weltweiten Kunstmarktes" - so lauteten jüngst die Schlagzeilen der internationalen Kunstzeitschriften und des Feuilletons angesichts der Machtverschiebungen im globalen Kunsthandel. Richtig ist: China hat längst zu den führenden Kunstnationen der Welt aufgeschlossen, hat in diversen Statistiken den bisherigen Marktführer USA von der Spitzenposition verdrängt. Auf der ältesten Kunstmesse der Welt, der Art Cologne, ist davon allerdings noch nicht allzu viel zu spüren.

Zeitgenössische Kunst noch nicht im Fokus

Wie ist das zu erklären? Zunächst einmal: Die Statistiken des Kunstmarktes fassen alles zusammen, den Erlös der großen Auktionshäuser, die Spitzenpreise der Kunst-Versteigerungen, den Handel mit Antiquitäten, die weltweite Präsenz von Kunst-Messen und Galerien. Zählt man nun alle diese Zahlen zusammen, verfügt China tatsächlich inzwischen über den größten Marktanteil in Sachen Kunst. Doch chinesische Sammler kaufen beispielsweise gern und viel teure Antiquitäten. Zeitgenössische Kunst aus China spielt dagegen auf dem Weltmarkt eine wichtige, aber (noch) keine dominierende Rolle. Das spiegelt das Angebot einer europäischen Kunstmesse wie der Art Cologne, die klassische Moderne und zeitgenössische Kunst im Angebot hat, wider.

Man stolpert also nicht gerade über Künstler oder Galerien aus China. Zumindest nicht in den Hallen der 46. Art Cologne. Doch das Entree hat in diesem Jahr tatsächlich ein Chinese gestaltet. Vor dem Eintritt in die Ausstellungshallen stößt der Besucher auf die monumentale Installation "Man on the Chairs" von He Xiangyu. Für dieses raumgreifende Werk hatte der Künstler Holz, das aus einem ehemaligen Wasserkanal stammt, nach Peking transportieren lassen und zu Stühlen umgearbeitet. Diese grob gehauenen, hölzernen Sitzgelegenheiten empfangen nun den kunstinteressierten Besucher. Oder sie laden nach dem Messebesuch zum Entspannen ein: Man sollte sich von der Optik nicht irritieren lassen - in den Stühlen kann man sehr bequem sitzen.

He Xiangyus Man on the Chairs (Foto: Alexander Ochs Galleries Berlin )
He Xiangyus "Man on the Chairs"Bild: Courtesy: ALEXANDER OCHS GALLERIES

Nicht jede Kunst aus China muss das Regime kritisieren

Und was will uns der Künstler damit sagen? Diese immer wieder gern gestellte Frage beantwortet die He Xiangyu vertretende deutsche Galerie "Alexander Ochs" ganz prosaisch in der Einladung: "Die Zeit und die Transformation von Materialien sind wichtige Themen seines Werkes, ebenso wie elementare Erfahrungen des Menschlichen und, durchaus auch politisch, der Gemeinschaft." Das hört sich nach recht beliebigem Kunst-Kuratoren-Deutsch an und verweist wohl auch darauf, dass zeitgenössische chinesische Künstler arbeiten und ihre Werke vermarkten wie Künstler in allen anderen Teilen der Welt auch. Und es zeigt noch etwas anderes: Man hütet sich von Galerienseite chinesische Kunst allzu sehr in den Dienst politischen Dissidententums zu stellen. Man will schließlich verkaufen.

Alexander Ochs sieht das zumindest so. Seit einigen Jahren ist der Galerist in China und Deutschland tätig. Ein Interview wird barsch verweigert, er sei zum Handeln hier, nicht um politische Statements abzugeben. Die unwillige Reaktion deutet darauf hin, dass man sich nicht zwischen allzu viele politische Stühle setzen will. Der Fall Ai Weiwei wirkt nach. Doch es gibt auch andere Reaktionen. Michael Schultz, ebenso wie Ochs seit Jahren in China gut vernetzt, ist gerade aus Asien zurückgekehrt. Noch nie sei er auf eine derart starke Polizeipräsenz gestoßen wie bei seinem jüngsten Besuch in Peking, erzählt Schultz. Auch die Ein- und Ausfuhr von Kunstwerken sei diesmal sehr schwierig gewesen. Eine Arbeit, die für die aktuelle Art Cologne bestimmt gewesen sei, habe er beispielsweise nicht aus dem Land bekommen.

Künstlerin Kexin Zang (Galerie Alexander Ochs) vor eigenen Fotografien (Foto: DW/Jochen Kürten)
Die Künstlerin Kexin Zang am Stand der Galerie von Alexander OchsBild: DW

Porzellankunst und Mao-Bilder

Schultz bietet an seinem Messestand ausschließlich Werke chinesischer Künstler an. Viele davon sind leicht zu identifizieren. Die Bilder und Skulpturen der Ausstellenden spielen mit traditionellen und historischen Zeichen und Symbolen chinesischer Geschichte und Kultur. Ma Jun etwa setzt klassisches chinesisches Porzellandesign in andere Zusammenhänge und Formen. Zou Cao großes mehrteiliges Wandgemälde "East is Red" nimmt dagegen direkten politischen Bezug zur nationalen Historie: Das Bildnis Maos ist vielfach abgebildet auf einer roten Flagge - doch ist dies nicht die chinesische, sondern die mit Hammer und Sichel und verweist auf Stalin und die Sowjetunion. Diese Arbeit habe man schon vor drei Jahren aus China "herausschmuggeln" müssen, erzählt Schultz. Ein sogenanntes "Culture Office", nichts anderes als eine Zensurbehörde, kontrolliere jedes Kunstwerk, das ausgeführt werden soll. "East is red" hätte keine Chance gehabt.

Galerie Michael Schultz mit Arbeiten von Huang He (Totenkopfbilder) und Ma Jun (Porzellanfiguren) (Foto: DW/Jochen Kürten)
Michael Schultz zeigt in Köln Arbeiten von Huang He und Ma JunBild: DW
Galerist Michael Schultz vor dem Kunstwerk East is red von Zou Cao (Foto: DW/Jochen Kürten)
Michael Schultz vor dem großformatigen "East is red" von Zou CaoBild: DW

Nun kann man Mao auf sowjetischer Flagge in Köln kaufen. Ärger bekämen die Künstler laut Schultz in ihrer Heimat im Nachhinein deshalb allerdings nicht. Für die chinesischen Behörden zähle nur, was innerhalb der Landesgrenzen für Aufsehen sorge. Wenn ein Kunstwerk einmal im Ausland sei, verlören die Behörden das Interesse.

Fotografien aus China

Andere Erfahrungen hat man bei der Londoner Galerie "Ben Brown Fine Arts" gemacht, die in Köln Werke chinesischer Fotografen anbietet. Die Künstler seien in China von einem Kurator, mit dem man zusammenarbeite, an die Galerie herangetragen worden. Das habe dann keine Probleme mehr gegeben. Doch die großformatigen Fotos von Chen Wie, die an die monumentale Fotografien deutscher Fotokünstler wie Andreas Gursky oder Thomas Struth erinnern, entziehen sich jeder direkten politische Aussage.

Panorama-Fotografien Anonymous Station von Chen Wei in der Galerie "Benn Brown Fine Arts" (Foto: DW/Jochen Kürten)
Panorama-Fotografien "Anonymous Station" von Chen WeiBild: DW

Das trifft auch auf die Arbeiten der seit 12 Jahren in Deutschland lebenden Kexin Zang zu. Die Fotografin und Performancekünstlerin präsentiert in Köln beispielsweise die Serie "Überhalbhunderter": Ältere Männer und Frauen sind zu sehen, die sich der Fotografin in Pekinger Parks und auf Plätzen präsentiert haben. Mit ihren auf den Fotos angedeuteten Hobbys wie Singen, Tanzen oder Meditation scheinen sie sich gegen den rasanten Wandel im modernen China zu stemmen. Sie gehörten zu den zufriedensten Menschen in China, erzählt Kexin Zang. Aktuelle soziologische Studien würden das bestätigen.

Ein paar Kojen weiter trifft man dann noch auf eine Handvoll weitere chinesische Künstler, die vom "Ullens Center for Contemporary Art" vertreten werden, einer nicht profitorientiert arbeitenden Institution. Auch hier begegnet der Besucher Kunst, bei der man zunächst einmal diese Erfahrung macht: Wenn nicht gerade Menschen aus China oder Symbole und Zeichen der Nation abgebildet sind, sieht man zeitgenössischer Kunst aus Peking und Shanghai ihre Herkunft nicht an. Auch chinesische Künstler beschäftigen sich eben oft mit den "elementaren Erfahrungen des Menschen". Und die können politisch sein, müssen es aber nicht.

Koje des chinesischen Ausstellers "Ullens Center for Contemporary Art" mit einer Mitarbeiterin (Foto: DW/Jochen Kürten)
Mitarbeiterin des "Ullens Center for Contemporary Art" in KölnBild: DW