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Politik

"Wir verdienen ein besseres Leben"

Nicolas Martin
26. September 2017

Der Kampf gegen die Korruption in Aserbaidschan brachte sie hinter Gitter. Nun erhielt die Journalistin Khadija Ismayilova den alternativen Nobelpreis. Der DW erklärt sie, warum man sie niemals mundtot machen wird.

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Aserbaidschan inhaftiert Regimekritikerin Khadija Ismajilowa
Bild: picture-alliance/AP Photo/A. Karimov

Deutsche Welle: Gratulation! Sie haben den alternativen Nobelpreis gewonnen. Für Sie als investigative Journalistin, welche Bedeutung hat dieser Preis?

Khadija Ismayilova: Ich nehme diesen Preis im Namen aller Journalisten entgegen, die ihre Geschichten nicht veröffentlichen können, weil sie im Gefängnis sitzen, und im Namen aller meiner Kollegen, die trotz der vielen Schwierigkeiten weiterhin nach der Wahrheit suchen. Ein solcher Preis zeigt, dass unsere Arbeit nicht immer nur mühsam ist, sondern auch anerkannt wird.

Der Preis wird auch einiges an internationaler Aufmerksamkeit mit sich bringen. Könnte das Ihre Arbeit nicht auch in Gefahr bringen?

Ich glaube, in der letzten Zeit habe ich schon für einiges an Aufmerksamkeit gesorgt, und ich denke, nichts kann mir eigentlich mehr schaden als die Gefahr, die vom Staat ausgeht.

Damit hatten Sie ja schon allerhand Erfahrung: 2015 hat man Sie zu sieben Jahren Haft verurteilt. Mitte des vergangenen Jahres wurden Sie vorzeitig entlassen. Wie kam es dazu?

Es gab eine große Kampagne für meine Freilassung. Für die Regierung wäre es kritisch gewesen, wenn ich weiter im Gefängnis gesessen hätte. Außerdem haben meine Kollegen die Recherchen fortgeführt. Die Regierung dachte, wenn ich im Gefängnis bin, ist Ruhe. Aber das ist nicht passiert. Die Regierung hat international sehr viel Kritik bekommen.

Aserbaidschan ist reich an Rohstoffen. Es kommt viel Geld rein, die Mittelschicht wächst, die Wirtschaft auch, dennoch klagen Sie immer wieder die Regierung an. Was läuft falsch in Ihrem Heimatland?

Das Land wird regiert, als sei es ein Familienunternehmen. Meine Recherchen haben nachgewiesen, dass der Präsident und seine Familie von der Monopolisierung der Wirtschaft profitiert haben. Sie haben die Regeln der Wirtschaft untergraben und sind die größten Nutznießer der Korruption im Land. Ich glaube, das war auch der Grund, warum die Regierung so sauer auf mich gewesen ist. Ich habe mit der Legende aufgeräumt, dass der Präsident von all den Korruptionsproblemen nichts wusste.

Insgesamt waren Sie 537 Tage im Gefängnis. Was waren Ihre ersten Gedanken auf freiem Fuß?

Ich habe gedacht: "Sie werden es nicht schaffen, mich mundtot zu machen." Das ist auch meine Lebensstrategie: Ich versuche immer, Probleme in Möglichkeiten zu verwandeln. Natürlich war das Gefängnis für mich persönlich eine sehr schwere Zeit, aber es hat sich gelohnt. Meine Kollegen in Aserbaidschan und auch im Ausland haben weiter recherchiert und mir geholfen. Sie haben publiziert und die ganze Welt hat über die Korruption in Aserbaidschan geschrieben, und wie die Regierung versucht, Kritiker mundtot zu machen. Sokrates würde sagen: Wir haben die Steine genommen und daraus ein Haus gebaut.

Sie haben aus dem Gefängnis einen Brief geschrieben. Dort sagen Sie: "Wenn der Preis für Pressefreiheit das Gefängnis ist, dann hat es sich gelohnt." Würden Sie das nach fast zwei Jahren Gefängnis immer noch behaupten?

Auf jeden Fall! Jede Minute persönliches Leid, die ich erfahren musste, hat sich gelohnt: Weil die Menschen in unserem Land es verdienen, genau wie meine Kollegen und alle Menschen, mit denen ich die gleichen Werte teile. Wir verdienen ein besseres Leben.

Haben Sie denn Hoffnung für die Pressefreiheit in Aserbaidschan?

Ich gebe die Hoffnung nie auf. Ich bin eine Optimistin.

Khadija Ismayilova ist eine investigative Journalistin, die mehrere Artikel über Korruption und Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidschan geschrieben hat. Ihre Veröffentlichungen brachten ihr mehrere internationale Auszeichnungen und Preise ein - allerdings auch Drohungen und eine staatlich gelenkte Verleumdungskampagne. 2015 wurde sie wegen Betrugs zu sieben Jahren Haft verurteilt, kam aber 2016 wieder auf freien Fuß.

Das Gespräch führte Nicolas Martin