1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Asiatische Freundschaft in der Krise

Matthias von Hein / Martin Schrader 30. Juli 2003

Nordkoreas Atompläne schüren in Asien große Unruhe. China und die USA suchen deshalb mit Hilfe stiller Diplomatie einen Ausweg aus dieser Krise. Dabei spielt China als einst treuer Partner Nordkoreas eine zentrale Rolle.

https://p.dw.com/p/3vc7
Skeptischer Blick nach Norden: Südkoreanische Soldaten an der Grenze zu NordkoreaBild: AP

China galt lange Zeit als einer der wichtgsten Verbündeten Nordkoreas. Diese Freundschaft bröckelt jedoch zusehends, weil Chinas Staatsführung mit großem Argwohn das Atomprogramm des erz-kommunistischen Nachbarn beobachtet. Die Staatsführung in Peking hat deshalb in einer Allianz mit den USA die diplomatischen Gespräche über die Atompläne Nordkoreas wiederbelebt.

Seit Montag (28.7.2003) reist der Staatssekretär im US-Außenministerium, John Bolton, zu Krisen-Gesprächen durch den fernen Osten. Bolton ist zuständig für Rüstungskontrolle und internationale Sicherheit. Seine Mission in Asien: in stiller Diplomatie eine Phalanx gegen die Atombedrohung aus Nordkorea zu schmieden. Drei Stationen stehen auf Boltons Reise-Route: nach dem Auftakt in Peking ging es am Dienstag weiter nach Südkorea und am Mittwoch nach Japan. Erkennbare Fortschritte brachten diese Treffen jedoch bisher nicht.

Lippen und Zähne

Südkorea: Demonstration gegen Nordkoreas Atompolitik
Christen demonstrierten am 11.1.2003 in Seoul gegen Nordkoreas Atomwaffen-PläneBild: AP

Sowohl Südkorea als auch Japan wollen an den Gespächen über das nordkoreanische Atomprogramm beteiligt werden. Auch die USA streben multilaterale Verhandlungen über Pjöngjangs Pläne an. Das stalinistische Nordkorea verlangt hingegen einen Dialog ausschließlich mit Washington. Derzeit wird offenbar über eine Kompromisslösung mit trilateralen Gesprächen zwischen den USA, Nordkorea und China verhandelt, die zu multilateralen Verhandlungen erweitert werden könnten.

Für Nordkorea ist vor allem wichtig, wie sich China in dem Konflikt verhält. "Enger als Lippen und Zähne" - so beschrieb die chinesische Propaganda einst die Beziehungen zwischen Peking und Pjöngjang. Das war, als chinesische Soldaten an der Seite der Nordkoreaner im Korea-Krieg gegen die von den USA angeführten Truppen der Vereinten Nationen kämpften. China zahlte für seine Parteinahme einen hohen Preis: Die Schätzungen der Experten reichen von knapp 400.000 bis zu 900.000 chinesischen Gefallenen - darunter auch Anying, Sohn des damaligen chinesischen Staatschefs Mao Tse-Tung.

Puffer im Süden

50 Jahre nach der Unterbrechung des Krieges durch einen fragilen Waffenstillstand, an dessen Unterzeichnung am Sonntag (27.7.) weltweit erinnert wurde, sind "Lippen und Zähne" mindestens so weit voneinander entfernt wie ein Gebiss im Zahnputzbecher seinesTrägers. Natürlich gehören beide noch zusammen. Ohne die Lebensmittel und Treibstoffhilfe aus China wäre die Herrschaft Kim Jong-Ils in Pjöngjang längst zusammengebrochen. Umgekehrt braucht China ein stabiles Nordkorea als Puffer zum amerikanisch dominierten Süden der koreanischen Halbinsel.

Was China aber auf keinen Fall gebrauchen kann, ist ein nuklear bewaffnetes Nordkorea. Das würde ein Wettrüsten in Ostasien auslösen und Südkorea, Japan und auch Taiwan noch enger an die USA binden. Kim Jong-Il setzt aber auf genau diese ultimative Waffe als Garant seines Überlebens trotz des Status' seines Landes als Schurkenstaat.

Immer seltener schluckt Peking jedoch die unberechenbaren Alleingänge Kim Jong-Ils. Ein für ihn schmerzhaftes Signal war beispielsweise die kurzfristige Unterbrechung der Treibstofflieferungen an Nordkorea im März 2003. Offiziell begründet wurde dies mit "technischen Problemen". Aber in Wirklichkeit war es ein Fingerzeig, der sogar einen diplomatischen Effekt hatte: Im April setzten sich Nordkorea und die USA erstmals seit Beginn der jüngsten Krise im Herbst 2002 wieder an einen Tisch - gemeinsam mit China und in Peking.

Kampf ums Überleben

Greifbare Ergebnisse brachte dieses Treffen nicht. Die diplomatischen Bemühungen liefen dennoch weiter auf Hochtouren. Der chinesische Sondergesandte Dao Bingguo reiste mit einem Brief von Staatspräsident Hu Jintao Anfang Juli 2003 nach Pjöngjang und traf dort auch lange mit Kim Jong-Il zusammen. Anschließend unterrichtete er in Washington in einem zweieinhalb Stunden langen Gespräch US-Außenminister Colin Powell über die Gespräche mit der nordkoreanischen Führung. China hat sich in der Korea-Krise auf diese Weise inzwischen den Ruf eines ehrlichen Maklers erworben. Der diplomatische Spielraum scheint aber bereits ausgereizt, ohne dass Pjöngjang sich zu irgendwelchen Konzessionen bereit gezeigt hätte.

Das nordkoreanische Regime steht mit dem Rücken zur Wand. Es sieht Atomwaffen als einzigen Faustpfand seines Üerlebens. Eine Sicherheitsgarantie aus Washington könnte da den Druck mindern. Zugleich besteht für Chinas Staatsführung die Möglichkeit, jenseits der Diplomatie stärkeren Druck auszuüben. Angeblich "technische" Probleme bei Treibstofflieferungen an Nordkorea könnten sich ja durchaus häufen.