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Oppositions-Kämpfe

Nina Haase23. Juli 2013

Moderate und islamistische Gruppen in Syrien führten über Monate einen gemeinsamen Kampf gegen das Regime von Baschar al-Assad. In den letzten Wochen bekämpfen sich die Oppositionsgruppen aber immer mehr untereinander.

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Militante Kämpfer in der Al-Dschasira-Region (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP

Die Kämpfe zwischen Assad-Gegnern der vergengenen Wochen gipfelten kürzlich in dem Mord eines führenden Kommandanten der Freien Syrischen Armee (FSA) durch Dschihadisten. Nach Angaben der FSA wurde Kamal Hamami, der dem Obersten Militärkommando der Opposition angehörte, in der Küstenprovinz Latakia von al Kaida-Extremisten erschossen.

Hamamis Mord waren Monate intensiver Spannungen vorangegangen - zwischen moderaten säkularen auf der einen Seite und extremistischen dschihadistischen Kämpfern auf der anderen, die nur das eine gemeinsame Vorhaben verbindet: Assads Sturz. Die Ziele für die Zeit danach gehen weit auseinander.

Statt einer "einzigen Bewegung vereint im Ziel, Präsident Assad zu stürzen", schrieb die US-Denkfabrik "Center for American Progress" kürzlich in einem Bericht, sollte der "syrische bewaffnete Aufstand treffender als eine Ansammlung ideologisch verschiedener und unkoordinierter Brigaden und Bataillons mit beschränktem Einsatzgebiet bezeichnet [werden]."

Kampf um Gebiete und um Kontrolle

Die Teilung der Opposition an sich ist nichts Neues. Aber die Fragmentierung wird immer sichtbarer und könnte bald unüberbrückbar sein, glaubt Marc Pierini vom Think Tank "Carnegie Europe" in Brüssel: "Die syrische Opposition ist schon lange fragmentiert, besonders ihr militärischer Arm und in den letzten Wochen ist das nur schlimmer geworden", so Pierini im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Es ist ein Kampf um Gebiete und um Kontrolle, der eine dramatische Entwicklung nimmt."

Laut dem "Syrischen Observatorium für Menschenrechte", einer oppositionsnahen NGO, ist es in den vergangenen Monaten vor allem an den Grenzübergängen zur Türkei und an wichtigen Einrichtungen wie Brunnen, Tankstellen und Checkpoints im Norden zu Kämpfen unter den verschiedenen Oppositionsgruppen gekommen.

Je länger der Konflikt andauert, so Pierini, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Opposition sich heftig um die finanziellen Mittel und um die duchzusetzenden Ziele für die Zeit nach Assad streiten wird.

Finanzierung der Moderaten reicht nicht aus

Im vergangenen Jahr gehörten extremistische islamistische Gruppen, wie die Al Kaida-nahe "Al Nusra-Front" zu den besonders erfolgreichen Kräften der Opposition. Sie standen hinter vielen Angriffen gegen Regierungstruppen, die zur Einnahme von strategisch wichtigen Armeestützpunkten, Städten und Dörfern führten.

Sicherheitsexperte Pierini glaubt, dass ihr Erfolg zumindest zum Teil dadurch zu erklären ist, dass sie finanziell besser ausgestattet sind als die säkularen Gruppen, die zwar vom Westen anerkannt, aber von diesem wenig Unterstützung erhalten.

Marc Pierini (Foto: Carnegie Europe)
Marc Pierini: "Russland befeuert eine Katastrophe"Bild: Carnegie Europe

In einem Interview mit der Deutschen Welle im Dezember 2012 hatte Marc Pierini noch gehofft, dass die Gründung der Syrischen Nationalkoalition einen Monat zuvor "ein bedeutender Schritt hin zum Übergang zu einer Post-Assad-Regierung" sein könnte. Pierini sah die Gründung damals als Zeichen, dass die Opposition endlich im Begriff war, ihre innere Teilung zu überwinden.

Die Nationale Koalition von syrischen Revolutions- und Oppositionskräften, auch als Syrische Oppositionskoalition (SOC) bekannt, wurde im November 2012 gegründet und sollte die Mehrheit der Aktivisten, Milizen und einheimischen Ratsherren der syrischen Opposition unter ihrem Dach vereinen.

Theoretisch, so der Bericht der US-Denkfabrik American Progress, müsste "die Gründung der SOC die syrische Opposition und internationale Gemeinschaft befähigen, die extremeren Elemente innerhalb des Aufstands zu isolieren und auszugrenzen".

Westliche Partner erkannten die SOC 2012 offiziell als Vertreterin der syrischen Opposition an. Seitdem ist die SOC mit ihrem Versuch aber weitgehend gescheitert, die unterschiedlichen Gruppen auf eine gemeinsame politische Position zu vereinen. Ebenso hat ihr militärisches Gegenstück, das Oberste Militärkommando, es nicht geschafft, alle Kämpfer unter ein gemeinsames Kommando zu bringen. "Sie haben nicht alle die gleichen Ziele", erklärt Pierini. "Einige wollen einen islamischen Staat errichten - und das lehnt der Westen ab."

"Russland erlaubt die Fortführung des Krieges"

Syrien wird seit dem Sommer 2012 von extremistischen Kämpfern aus dem Ausland überschwemmt, die den Bürgerkrieg in Syrien als Teil eines weltweiten, heiligen Kriegs sehen. Pierini glaubt dennoch, die wahre Gefahr liege anderswo. "Diese Kräfte existieren natürlich und sind gefährlich. Aber der weitaus besorgniserregendere Faktor ist, dass Russland die Fortführung des Krieges erlaubt."

Die Gewalt in Syrien - sowohl zwischen Pro-Assad- und Anti-Assad-Kämpfern als auch zwischen Oppositionskämpfern untereinander - werde so lange weiter eskalieren, bis Russland die aktive Ausrüstung von Assads Truppen, die momentan ein bis zwei Mal die Woche erfolgt, einstellt, so der Sicherheitsexperte.

Zwar sei seit Beginn des Aufstands klar, dass die Opposition alles andere als homogen ist. Aber Pierini glaubt, dass westliche Staaten zwei wichtige Faktoren unterschätzt haben, als sie beschlossen, inaktiv zu bleiben: "Einerseits, dass das Assad-Regime absolut keine Hemmungen hat, Gewalt einzusetzen und vermutlich sogar ein geteiltes Syrien in Kauf nehmen wird." Und zweitens, so Pierini, "konnte sich der Westen vermutlich einfach beim besten Willen nicht vorstellen, dass Russland tatsächlich so lange und so konsequent handeln würde."