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Den Iran verdrängen

Diana Hodali2. März 2012

Saudi-Arabien will die syrischen Rebellen mit Waffen versorgen. Der Nahost-Experte Volker Perthes sieht ein politisch-moralisches Dilemma.

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Volker Perthes von der SWP (Foto:Stiftung Wissenschaft und Politik)
Bild: SWP

Deutsche Welle: Ende Februar hat der saudi-arabische Außenminister Prinz Saud al-Faisal bei der Konferenz der "Freunde Syriens" in Tunis energisch die Bewaffnung der Aufständischen gefordert. Warum will Saudi-Arabien jetzt Waffen an die Rebellen liefern?

Volker Perthes: Saudi-Arabien schätzt die Situation in Syrien offensichtlich so ein, dass ein Bürgerkrieg nicht zu verhindern ist und setzt auf eine Entscheidung im Bürgerkrieg. Saudi-Arabien geht gleichzeitig davon aus, dass hier in erster Linie ein geopolitischer Konflikt geschlagen wird, in dem Saudi-Arabien auch selbst Partei ist: Nämlich ein geopolitischer Konflikt, in dem es um die Reichweite Irans und iranischen Einflusses in den Nahen Osten geht.

Das heißt, Saudi-Arabien will dadurch den Iran weiter aus der Region verdrängen?

Das derzeitige syrische Regime ist für den Iran der einzige wirkliche Verbündete in der arabischen Welt und Syrien ist aus iranischer Sicht ein verlässlicher Verbündeter. Gleichzeitig ist Syrien ein strategischer Brückenkopf für den Iran: Aus Syrien heraus kann man die Hisbollah im Libanon militärisch und logistisch versorgen. All dies würde sich ändern, wenn es in Syrien einen Regimewechsel gäbe. Und daran hat Saudi-Arabien Interesse.

Schätzungen zufolge sind seit Beginn der syrischen Aufstände im vergangen Jahr mehr als 7500 Menschen getötet worden. Würden noch mehr Waffen den Konflikt nicht noch weiter anheizen?

Wir sind hier tatsächlich in einem politischen und auch politisch-moralischen Dilemma. Denn natürlich ist es so, dass die Aufständischen und insbesondere auch die doch relativ wenigen Mitglieder der Freien Syrischen Armee – überwiegend bestehend aus Deserteuren aus den regulären Streitkräften - schlecht bewaffnet sind. Und die sagen: Wir könnten vielleicht die Panzer, die derzeit Homs beschießen, auf Abstand halten, wenn wir auch Panzerfäuste oder panzerbrechende Waffen hätten. Wir könnten auch mit einer weiteren Bewaffnung gar nicht in die Offensive gehen, aber wir könnten die belagerten und beschossenen Stadtteile besser verteidigen. Das sind Argumente, die man nicht einfach von der Hand weisen kann. Auch wenn ich der Ansicht bin, dass es heute vor allem das Regime ist, was ein Interesse daran hat, einen richtigen Bürgerkrieg mit richtig bewaffneten Gegnern zu führen. In einem Bürgerkrieg gäbe es zwei Fronten, und dann müsste die internationale Gemeinschaft gleiche Distanz zu beiden Parteien halten. Man könnte dann über Vermittlung zwischen den beiden Parteien reden und es gäbe nicht die Situation, in der ein stark bewaffnetes Regime eine aufsässige Bevölkerung niederknüppelt.

Kann man Assad denn noch auf irgendeine andere Art und Weise dazu bewegen, einzulenken, damit die Gewalt ein Ende hat?

Ich glaube, er hat sich derzeit schon vorgenommen, zusammen mit seiner engeren Familie und einigen hohen Generälen aus den Geheimdiensten, auf die er sich stützt, weiterzukämpfen. Und wahrscheinlich ist er bislang auch überzeugt davon, dass er siegen kann. Militärisch kann er das wahrscheinlich. Aber politisch und wirtschaftlich hat er schon lange verloren. Das Land geht wirtschaftlich weiter den Abgrund hinunter und es wird keine Rückkehr mehr zur Normalität vor dem Beginn des Aufstandes geben. Das heißt, selbst wenn er militärisch weiter gegen eine im Wesentlichen immer noch unbewaffnete Bevölkerung siegt, wird das Regime am Ende sein. Wie lange das dauert, ist die Frage: Denn das Problem scheint zum Teil zu sein, dass man in Damaskus nach wie vor noch glaubt, dass man siegen kann und auch politisch wieder zurückkommen kann.

Aber welche Chancen hat dann überhaupt der Sondergesandte der UN und der Arabischen Liga, Kofi Annan, erfolgreich zu vermitteln, wenn dem Assad-Regime daran gelegen ist, es bis zu einem Bürgerkrieg eskalieren zu lassen, wie Sie eben gesagt haben?

Ich glaube, Vermittlung ist tatsächlich nicht das, was zurzeit ansteht. Derzeit geht es darum, vom Assad-Regime die Einhaltung von humanitären Mindeststandards zu verlangen. Das ist auch die prioritäre Aufgabe Kofi Annans. Humanitäre Organisationen wie das Internationale Rote Kreuz und der Rote Halbmond müssten Zugänge zu den belagerten Städten bekommen, damit sie die Menschen mit Lebensmitteln und Medizin versorgen können. Verwundete und Verletzte sollten evakuiert werden können. Das ist eine Forderung, die auch von den Vetomächten Russland und China getragen wird. Es kann ein Moment kommen, wo Assad erkennt, dass es keine Rückkehr gibt und dann kommt tatsächlich die Frage auf, ob es so etwas wie eine jemenitische Lösung geben kann. Also, ob sich Präsident Assad - bei Garantie von Straffreiheit unter Mitnahme von einigem Geld und Reichtümern und einem Teil seiner Familie - tatsächlich in ein Exil begeben könnte. Man müsste schauen, ob man ihn herausverhandeln kann. Hier wäre Russland sicherlich ein wichtiger Partner.

Volker Perthes ist Nahost-Experte und Leiter der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

Das Gespräch führte Diana Hodali
Redaktion: Dеnnis Stutе

Die "Freie Syrische Armee" kämpft gegen die Truppen von Assad (Foto: Reuters)
Die "Freie Syrische Armee" kämpft weiter gegen die Truppen von AssadBild: Reuters