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Assads Bedauern - Sinneswandel oder Kalkül?

Diana Hodali3. Juli 2012

Seit Ausbruch der Gewalt in Syrien herrscht politische Eiszeit zwischen Damaskus und Ankara. Baschar al-Assad hat den Abschuss eines türkischen Kampfjets jetzt zwar bedauert, aber war die Entschuldigung ernst gemeint?

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Baschar al-Assad während eines Interviews (Foto: Reuters)
AssBild: Reuters

Es klingt fast wie eine Entschuldigung aus dem Mund von Baschar al-Assad: Der syrische Staatschef hat den Abschuss eines türkischen Kampfjets durch die eigenen Streitkräfte offiziell bedauert. Das sagte er in einem Interview mit der türkischen Tageszeitung "Cumhuriyet". Die Maschine sei in einem Luftkorridor unterwegs gewesen, der in der Vergangenheit mehrfach von der israelischen Luftwaffe genutzt worden sei. Assad wies die Anschuldigung zurück, die syrische Luftabwehr habe den türkischen Kampfjet absichtlich abgeschossen. "Ein Land im Krieg handelt immer auf diese Weise", sagte er. Er bedauere diesen Vorfall zu 100 Prozent.

Der Kampfjet vom Typ Phantom F-4 war am 22. Juni über dem offenen Meer abgeschossen worden. Ankara verschärfte den Ton und die NATO verurteilte den Vorfall. Direkt danach hatte sich Syrien bei der Türkei nicht entschuldigen wollen. "Wenn dieses Flugzeug in internationalem Luftraum abgeschossen worden wäre, hätten wir uns sofort entschuldigt", so Assad.

Ein Interview - viele Botschaften

Ein Kampfflugzeug vom Typ Phantom F-4 der türkischen Luftwaffe (Foto: DPA)
Syrien hat einen Kampfjet vom Typ Phantom F-4 abgeschossenBild: picture-alliance/dpa

Wie kommt es also dazu, dass Assad doch noch sein Bedauern zum Ausdruck bringt? "Das ist ein Versuch der Deeskalation", sagt André Bank vom Giga-Institut in Hamburg im Gespräch mit der DW. Immerhin hat der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan bei Wiederholung eines solchen Falles militärische Reaktionen angedroht. Es sei im Interesse Assads, die Lage regionalpolitisch zu beruhigen, um sich auf die Situation im Inland zu konzentrieren, sagt Bank. Zudem, so Syrien-Experte Heiko Wimmen von der Stiftung Wissenschaft und Politik, zeige das Regime in Damaskus mit der indirekten Entschuldigung, dass es durchaus handlungsfähig ist und keineswegs nah am einem Sturz oder Zerfall.

Aber das scheint nicht alles zu sein. Denn nicht nur, dass Baschar al-Assad das Interview einer linken Erdogan-kritischen Tageszeitung gegeben hat. Er sendet mit der Veröffentlichung dieses Interviews ein weiteres Signal: "Wenn dieses Flugzeug wirklich ohne Vorbereitung und ohne Plan abgeschossen wurde, dann heißt das tatsächlich, dass die syrische Luftwaffe in guter Verfassung ist", so Wimmen gegenüber der DW. Die Botschaft an den Westen hieße dann: Syrien kann im Falle einer militärischen Intervention dagegen halten.

Geschwächte Armee Syriens?

Grenzübergang Syrien Türkei mit wehenden Fahnen beider Länder (Foto: dapd)
Mehr als 33.000 syrische Flüchtlinge hat die Türkei aufgenommenBild: AP

Eine Botschaft, die gerade in diesen Zeiten für das syrische Regime von Bedeutung ist: Aufgrund der anhaltenden Gewalt haben sich am vergangenen Montag (02.07.12) 85 syrische Soldaten mit ihren Familien in die benachbarte Türkei abgesetzt. Darunter soll mindestens ein ranghoher Offizier sein. Seit Beginn der Proteste im März 2011 desertierten regelmäßig Soldaten aus dem syrischen Heer. Wie viele genau der syrischen Armee von der Fahne gegangen sind, weiß man nicht. Allerdings sollen mittlerweile mehr als ein Dutzend ranghohe Generäle in der Türkei Unterschlupf gefunden haben.

Die syrische Armee hat eine geschätzte Stärke von 200.000 bis 300.000 Mann. Hinzu kommen die Paramilitärs, mit denen das Assad-Regime zusammen arbeitet, und die Reservisten. "Syriens Regime hat natürlich durch eine strategische Positionierung von alawitischen Offizieren dafür gesorgt, dass seine Truppen verlässlich und loyal sind", sagt Syrien-Experte Wimmen. Ein Großteil der Deserteure seien sunnitische Rekruten, deren Verluste man einkalkuliert und erwartet habe. Solange keine komplette Division an erfahrenen Militärs Assad den Rücken kehrten, blieben die loyalen Kräfte der Armee weiterhin handlungsfähig.

Dennoch - einen Unterschied für die Truppenmoral macht die Flucht der 85 Soldaten allemal: Assads Verminung der Grenzgebiete zur Türkei und dem Libanon soll auch seinen Militärs zeigen, dass es kein Entkommen aus dem Sicherheitsapparat gibt. Anscheinend ist es aber doch möglich. Und daran könnten sich auch in Zukunft weitere Soldaten ein Vorbild nehmen.