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"Atmosphäre der Angst"

Daniel Scheschkewitz24. Juli 2004

Erst wurde Whoopi Goldberg von ihrer Werbefirma gekündigt, dann erhielt Sängerin Linda Ronstadt Auftrittsverbot. Zwei Beispiele, wie US-Künstler für ihre Bush-Kritik bestraft werden – von privaten Firmen.

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'Warum soll ich auftreten, wenn ich nicht mehr gemein sein darf?'Bild: AP
Linda Ronstadt
Zuviel des Lobes für Michael Moore, den Gewinner der 'Goldenen Palme'Bild: AP

Eigentlich sind Linda Ronstadt-Konzerte nicht für Krawall bekannt. Doch dann kam es vor kurzem bei einem ihrer Auftritte im "Aladdin"-Hotel in Las Vegas zu tumultartigen Szenen. Flaschen flogen, im Publikum brachen Raufereien aus. Anlass für den Aufruhr war eine Lobeshymne der Country-Sängerin auf den Filmemacher Michael Moore, dessen äußerst Bush-kritischer Dokumentarfilm "Fahrenheit 9/11" in den USA zurzeit für Rekordeinnahmen an den Kinokassen sorgt. Die Leitung des Aladdin-Hotels reagierte prompt. Linda Ronstadt wurden weitere Auftritte untersagt. Begründung: Man habe die Künstlerin für Unterhaltungszwecke und nicht für politische Propaganda verpflichtet.

Kritik an Bush - Werbevertrag weg

Eben die war durchaus beabsichtigt, als der Präsidentschaftsbewerber der Demokraten, John Kerry, in der vergangenen Woche Komikerin Whoopi Goldberg für eine Wahlparty in New York gewann. Goldberg nutzte ihren Auftritt, um einige Witze über George Bush und Dick Cheney zu machen. Wegen sexueller Anspielungen – "Jeder Amerikaner und jede Amerikanerin weiß, welche Körperteile umgangssprachlich mit "dick" und "bush" gemeint sind." – wurden ihre Äußerungen von manchen als geschmacklos empfunden. Auch für Goldberg hatte das unangenehme Konsequenzen. Die Diätfirma "Slim Fast" entließ sie aus ihrem millionenschweren Werbevertrag. Goldberg reagierte konsterniert: "Warum soll ich überhaupt noch auftreten, wenn ich nicht mehr gemein sein darf?"

"Das kommt einer staatlichen Zensur sehr nah"

Beobachter machen einen beunruhigenden Trend aus. Auch wenn es sich bei diesen Fällen nicht um staatliche Zensurmaßnahmen handele, stünden doch zumeist regierungsfreundliche Wirtschaftskreise hinter den Schikanen gegen die Künstler. "Das Ganze beginnt, sich zu einer indirekten, aber wirksamen Art der Zensur auszuwachsen", sagt Kimberley Crenshaw, Rechtsprofessorin an der New Yorker Columbia University. Es sei nicht unbedingt die Regierung, die festlege, dass Whoopi Goldberg entlassen wird oder Michael Moores Film nicht gezeigt werden soll. "Wenn aber die Regierung so eng mit Wirtschaftskonzernen verzahnt ist und die Firmenbosse von Steuergeschenken und einem unternehmensfreundlichen Klima abhängig sind – dann kommt das de facto einer staatlichen Zensur schon sehr nah."

"Slim Fast" - der bisherige Werbepartner Whoopi Goldbergs - hat seinen Firmensitz in Florida. Der Staat wird von George W. Bushs Bruder Jeb regiert. Die Vernetzung von Politik- und Wirtschaftsinteressen hat nach Ansicht von Victor Kamber von der linksliberalen PR-Firma "Kamber Group" durchaus das Potenzial, die künstlerischen Feiheiten zu bedrohen. Dies um so mehr, als die Regierung Bush ein ganz eigenwilliges Verhältnis zu kritischen Äußerungen hat. "Die Regierung von Präsident Bush verfolgt eine Politik, nach der jeder Kritiker ein Vaterlandsverräter ist", sagt Kamber.

Schützenhilfe erhielten die kritischen Künstler in diesen Tagen vom britischen Alt-Rocker Sir Elton John. In einem Interview mit dem "New York Magazin" beklagte der Musiker eine "Atmosphäre der Angst" unter amerikanischen Künstlern. Das Ganze erinnere ihn stark an die Ära McCarthy. Damals, in den fünfziger Jahren, versuchten Politiker und Medien, linke Intellektuelle und Künstler mit gezielten Hetzkampagnen einzuschüchtern.